Mit Venom bringt Marvel einen neuen, düsteren Charakter auf die Leinwand. Ein Anti-Held, denn Superhelden gibt es schon genug. Was ihr vor einem Kinobesuch wissen solltet und welche Erwartungen eventuell enttäuscht werden, erfahrt ihr in unserem Review.
von Klarissa Gruber
5. Oktober 2018: Das Marvel-Universum wird mit Venom durch einen Anti-Helden erweitert. Die Erwartungen sind hoch und auch der Trailer vielversprechend.
Unter der Regie von Ruben Fleischer (Zombieland, Gangster Squad) geben namhafte Schauspieler wie Tom Hardy (Dunkirk, Mad Max: Fury Road), Michelle Williams (Alles Geld der Welt, Manchester by Sea) und Riz Ahmed (Star Wars: Rogue One, Four Lions) ihr bestes. Dass ein guter Cast aber nicht jeden Film zum Superkracher macht und warum er sein durchaus gutes Potenzial nicht ganz ausspielen kann, erfahrt ihr in unserer großen Kritik.
Journalist Eddie Brock ist für seine knallharten Enthüllungsberichte bekannt. Er sieht hin, wo andere wegsehen. Als ein Raumschiff der Life Foundation bei seinem Rückflug abstürzt, soll Brock ein Interview mit Carlton Drake (Riz Ahmed), Gründer und Jung-Genie der Life Foundation, führen. Dass Eddie ihn dabei auf diverse Experimente an Menschen, die sogar tödlich enden, anspricht, kostet ihn nicht nur seinen Job, sondern auch seine Frau (Michelle Williams) und Wohnung.
Ein halbes Jahr vergeht und die Life Foundation betreibt ihre ethisch verwerflichen Forschungen im Dunkeln weiter. Was niemand ahnt: Beim Absturz des Raumschiffs wurden Proben einer außerirdischen Lebensform gesichert. Symbionten. Sie verbinden sich mit Lebewesen als Wirten, führen aber deren Tod herbei, wenn sie mit ihnen nicht kompatibel sind. Drakes Ziel: Den Menschen mit Hilfe der Aliens auf anderen Welten überlebensfähig machen, zur Rettung der Erdbewohner, wenn der eigene Planet irgendwann zerstört ist. Dabei geht er selbst über Leichen, weshalb sich eine seiner Wissenschaftlerinnen Brock anvertraut. Als Eddie sich mit ihrer Hilfe in das Versuchslabor schleicht, verbindet sich einer der Symbionten erfolgreich mit ihm und verleiht ihm übermenschliche Kräfte. Ohne Kontrolle über seinen Körper räumt das Wesen Venom mit allem was sich ihm und Eddie in den Weg stellt gewaltig auf. Zählen Augen, Lungen und Pancreas doch zu seinen Lieblingssnacks.
Die Erwartungen an Venom sind hoch. Ein Marvel-Film und noch dazu ein Anti-Held aus dem Weltraum, der die Menschheit am liebsten als riesigen Snack verspeisen will. Optisch ein echter Augenschmaus, doch darf man die Story nicht hinterfragen. Angefangen von Logikfehlern und willkürlichen Motivationsschüben der Charaktere, bis hin zu schwachen Dialogen und unglaubwürdigen Figuren wie Carlton Drake, die man nicht ernst nehmen kann.
Ein Beispiel: Brock wird uns als investigativer Journalist vorgestellt. Seine Fragen stützt er aber auf Vermutungen anderer und als sein Chef wissen will, ob er eine Quelle für seine Story hat, verneint er. Peinlich.
Trotz dieser Logikfehler kann Tom Hardy als Eddie Brock überzeugen. Er und Venom tragen den Film und lassen alle anderen Schauspieler hinter sich. Besonders die Szenen, in denen Eddie sich selbst nicht unter Kontrolle hat sind sehr glaubwürdig und gelungen. Man kann ihm förmlich ansehen, dass er der Situation hilflos ausgeliefert ist und Angst vor sich selbst hat. Venom punktet durch seine außergewöhnliche Darstellung. Ob nur teilweise wie ein Schlangenkopf oder in voller Montur über Eddie gezogen, die Special Effekts und ölige Darstellung beeindruckt. Besonders im Finale wird dies auch mit Slow-Motion hervorgehoben, was für eindrucksvolles Bildmaterial sorgt.
Michelle Williams’ Potenzial wurde hingegen leider gar nicht genützt. Ihre Rolle hätte nicht oberflächlicher und stereotyper sein können. Nach dem Motto “Ich bin eine Frau und kann auch helfen” läuft sie den ganzen Film über durch die Gegend und lässt am Ende noch einen “coolen” Spruch raus, der genau das unterstreicht. Carlton Drakes Charakter ist ebenfalls sehr abgehoben, mit utopischen Vorstellungen, so dass man mit seiner Figur einfach nicht warm wird. Seine Dialoge haben so manchen Lacher ausgelöst, jedoch an Stellen, die eigentlich nicht dafür gedacht waren.
Hier gibt es einige Ungereimtheiten. Wenn diese Wesen aus dem All so stark sind, wie konnten die Proben überhaupt erst gefangen werden? Gleich zu Beginn befindet sich ein Symbiont in Malaysia und übernimmt den Körper einer alten Frau. Ein halbes Jahr später (!) rennt er immer noch im selben Körper herum. Was hat er die ganze Zeit über gemacht? Ebenso störend ist die Tatsache, dass im Labor unzählige Experimente an Menschen scheitern, die Symbionten später aber plötzlich von verschiedensten Leuten Besitz ergreifen können, ohne dass das größere Auswirkungen hat.
Und Venom? Ein übernatürliches Wesen, das sich in alles mögliche verwandeln kann und unbesiegbar scheint, verrät einmal so nebenbei seine eigenen Schwachpunkte.
Bei all diesen Makeln hat der Film aber genauso seine positiven Seiten, die viele Fans sicher begeistern werden: Die Musik unterstützt jede Einstellung perfekt. Besonders die düsteren und actionreichen Szenen werden gern mit Pauken und Posaunen untermalt und tiefe Bässe mit starkem Beat und passenden Streichern sorgen für die nötige Dramaturgie.
Tolle Actionszenen gibt es genug: ob nun im Labor, bei einer Verfolgungsjagd auf dem Motorrad oder das große Finale, wo unvorstellbare Kräfte am Werk sind. Umso mehr schmerzt es, dass eine solche Darbietung durch die Story nicht immer ernst genommen wird. Auch positiv: Venom liefert die lustigsten Aussagen und sorgt für die besten Lacher. Der Humor kommt durch sein Auftreten so richtig in Gang und wird damit deutlich unterhaltsamer als er zu Beginn noch ist.
Venom hätte so viel mehr sein können, als der Film am Ende ist. So viele Möglichkeiten ungenutzt, so viel schauspielerisches Talent begraben unter flachen Charakteren. Wenn ihr Filme mit Tiefe und nachvollziehbarer Story sucht, seid ihr hier definitv falsch.
Aber: Wenn ihr einen Hauptcharakter mit außerirdischem Parasiten am Hals sehen wollt, dessen Verzweiflung ihn im Gesicht geschrieben steht, seid ihr mit Tom Hardys schauspielerischer Leistung bestens versorgt. Auch Venom kann punkten: mit seiner (nicht gerade schönen) aber durchaus imposanten Erscheinung, seinen humorvollen Aussagen und seinen, wegen seines zähflüssigen Zustands unendlichen Möglichkeiten, seine Feinde zu eliminieren. Dazu gibt’s tolle Action-Szenen.Zu guter Letzt könnt ihr euch in alter Marvel-Manier auf zwei Teaser nach dem ersten und zweiten Abspann freuen.
Insgesamt ist Venom trotz seiner Mängel kein schlechter Film geworden. Nur sollte man wissen, wo seine Stärken und Schwächen liegen.
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Fotos: © Sony Pictures
Die Web-, Manga- und Social Media Expertin zeigt ihre Expertise in Filmreviews, berichtet aber auch von anderen Freizeit-Erlebnissen.