Fahren, fahren, fahren. Auf der Autobahn, übers Feld, mitten durch den Vorgarten und quer durch alle vier Jahreszeiten. Forza Horizon 4 verspricht grenzenlose Freiheit auf den mal flachen, mal hügeligen Straßen Großbritanniens. Ob es die Erwartungen erfüllen kann, lest ihr im ausführlichen Helden-Review.
von Christoph Geretschlaeger
Bevor es hinters Lenkrad geht, suchen wir uns einen sportlichen Mitt-Zwanziger (aus der recht beschränkten Auswahl) als Avatar aus. Der leicht dämliche Blick lässt vermuten, dass sie schon wissen, was auf sie zukommt: heiße Verfolgungsjagden und harte Kollisionen.
Ab 2. Oktober (für Besitzer der Ultimate Edition schon seit 28. September) verspricht Microsoft mit Forza Horizon 4 ein hochrasantes Vergnügen für Xbox One und PC. Ob wir nach unserer großen Testfahrt ein freundlicheres Gesicht machen als unser Avatar? Ob Grafik und Gameplay einen neuen Arcade-Racer-Hit versprechen? Auf das und mehr gehen wir in unserem Test ein. ACHTUNG! Hier kann man das Game bei uns gewinnen.
Zurück zum Editor. Wichtig ist die Personalisierung der Nummerntafel, wie sonst sollen Gegner wissen, wer sie gerade gerammt oder in die Bande gedrängt hat. Wer während der Story mit Namen angeredet werden möchte, sucht sich seinen aus der Liste. Bei sowas muss ich mich immer ärgern, Christoph gibt es nämlich nie, immer nur Chris oder Christopher.
Jetzt setzen wir uns endlich ans Steuer eines der grandios modellierten Schlitten. In einer witzigen Intro-Sequenz über mehrere Strecken und Autos lernen wir das Alleinstellungsmerkmal von Forza Horizon 4 kennen. Jahreszeiten! Auf die gleißende Hitze des Sommers, folgt der regnerische Herbst, der raue, verschneite Winter und schließlich der blühende, aber doch teils verregnete Frühling. Im Handling macht sich das sofort bemerkbar. Schlittert man im Winter von der Strecke, bleibt man im Herbst im Schlamm hängen. Wenn das passiert hilft immer die Rewind-Funktion. Sofort spult Forza einige Fahrsekunden zurück (im Multiplayer funktioniert das klarerweise nicht) und man kann die Kurve oder Gerade (keine Ahnung wie ihr Auto fährt) nochmal angehen.
Mit frisch eingestelltem Lenkeinschlag und beherztem Gaspedaleinsatz kommt man dann aber meistens sicher ins Ziel. Was man nicht für die Karosserie behaupten kann, das aufwendige Schadensmodell zeigt seine Kratzer gerne her. Je nach Schwierigkeitsgrad beeinflussen die Unfälle auch die Performance und die Stabilität des Autos.
Welches wird mein erstes Auto? Ein Ford Focus RS? Ein Audi TTS Coupé? Nein, natürlich nehm‘ ich das amerikanische Muscle Car schlechthin, den Dodge Charger. Im Rennen fällt als erstes die sensationelle Optik auf. Mit einem aufgebohrten PC erstrahlt Forza Horizon 4 in vollem Glanz. Außerordentlich detaillierte Autos, am Straßenrand wachsen dichte Büsche, das Wasser in kleinen Pfützen spritzt auf, Flora und Fauna wohin man schaut. Die Schafe sind sogar regelrechte Ausweich-Weltmeister. Sie wurden eigens dafür programmiert nicht treffbar zu sein, nicht dass ich sowas ausprobieren würde. Und das alles butterweich in 4k. Eine Meisterleistung!
Auf den ersten Kilometern nervt das wuselnde Interface etwas. Überall streiten irgendwelche Zähler um Aufmerksamkeit. Mittig oben rennt einer – für jeden Drift, jedes Überholmanöver gibt es Punkte. Damit schaltet man Upgrades für das Auto frei. Aber keinen besseren Auspuff oder ein kleines Chiptuning, sondern so Dinge wie 10 Prozent mehr Punkte beim Windschattenfahren oder bei Sprüngen.
Und dann sind wir schon im Ziel, natürlich an erster Stelle. Als Belohnung gibt es Credits (die in neue Autos und Häuser investiert werden) und Influence. Den Instagrammern unter euch wird der Begriff bekannt vorkommen, für gute Platzierungen und je nach Höhe des Schwierigkeitsgrades regnet es mehr und mehr Follower.
Als Zuckerl für den Rennsieg bekommen wir auch einen Dreh am Glücksrad. Es locken neue Autos, neue Outfits (das pinke Polo-Hemd hätte ich schon gern), neue Hup-Geräusche (gegen die Hälfte ist La Cucaracha noch harmlos). Manchmal gibt es auch einfach nur Credits. Die kann ich aber auch gut brauchen, für mein erstes selbst gekauftes Auto: einen Subaru Impreza WRX. Natürlich in blau, mit goldenen Felgen, Carbon-Motorhaube und goldenen Außenspiegeln.
Unzählige Optionen stehen zur Auswahl. Oder man schaut sich in der Community um, und nimmt sich einen der beliebten Skins, oder blättert einfach zwecks Ideenfindung durch die Vorschläge. Pimp my Ride also, ganz ohne Billard-Tische im Kofferraum oder Aquarium in der Beifahrertür.
Hier die komplette Liste aller Autos im Spiel.
Rallye-Auto. Check. Herbst, leichter Regen. Check. Was fehlt ist ein Rennen. Anna, das nette Navi, lotst uns zu einem drei-Runden-Event irgendwo in der Landschaft. Aber wer hört schon auf das Navi? Über Stock und Stein, durch kleinere Flüsse und schmucke Vorgärten begebe ich mich Direttissima zum Ziel. Vorbei die Zeiten als ein Pixel von Zaun oder Busch zum sofortigen Totalschaden führt. Für die Zukunft merke ich mir aber, alles was breiter als ein Reifen ist, lässt sich nicht zusammenfahren. Dem Motto „nur quer bist wer“ folgend, drifte ich souverän durch die ersten beiden Runden, bevor ich Bekanntschaft mit einem Baum mache. Dank der Rewind-Funktion ist das Rennen aber gerettet und mir die Influence sicher.
Mit genug Influence schalten wir den Zugang zu weiteren Events frei. Am Anfang ist ein klarer Weg vorgegeben: so und so viel Influence sammeln, am Festival teilnehmen, Saisonwechsel. Das läuft so lange bis man jede Jahreszeit für ein oder zwei Stunden ausprobiert hat und schließlich in den Horizon-Kader aufgenommen wird.
Jede Saison fühlt sich spürbar anders an, aber nicht nur die Straßenverhältnisse sind davon betroffen. Im Winter ist der See zugefroren, und sogar die Karte verschneit. Jede Jahreszeit hat andere Rennen und andere Events. Großbritannien kann ich sich hier von seiner schönsten Seite präsentieren. Die große Map ist gut gefüllt: urbane Gebiete, Sandstrände, Hügel, Felder, verschlafene Dörfer und enge Gebirgspässe.
In der offenen Welt angekommen, ist jeder in der gleichen Jahreszeit. Andere Spieler werden als kleine Punkte auf der Karte markiert, man kann sich einem Konvoi anschließen oder um die Wette fahren. Neben den gängigen Renn-Events wartet der Forzathon. Ein kooperatives Ereignis, bei dem alle Fahrer zusammenkommen und gemeinsam Ziele erfüllen. In meinem ersten Forzathon sammelten wir Punkte beim Radarfalle ausblitzen lassen, Section-Control-Strafen kassieren und schließlich beim Driften durch die Innenstadt. Eigentlich sehr originell, zumal es als Belohnung Forzathon-Punkte gibt, die für freshe Sakkos oder dumme Hup-Sounds (aber auch Autos) ausgegeben werden. Jeden Donnerstag wird die Ingame-Sonne verschoben und neue Abenteuer, neue Forzathons warten auf die Fahrer.
Das Intro lässt sich nicht überspringen. Das ist schon das Negativste, was ich über Forza Horizon 4 sagen kann. Die Autos fahren sich richtig gut, zumindest mit den Fahrhilfen auf Mittel. Profis stellen natürlich alles ab. Ich bevorzuge aber eher die Arcade-lastigere Variante, bzw. kann ich mir das Spiel durch die vielen Optionen auf den Leib schneidern. Optisch ist Forza sowieso überragend. Die Karosserie funkelt in der Sonne und der Schlamm spritzt wild durch die Gegend.
Einfach nur in der liebevoll gestalteten Welt herumfahren macht schon Spaß. 15 Minuten habe ich alleine damit verbracht ein Schild (eines der zahlreichen Collectibles und viel Influence wert) auf einem Hausdach mit meinem Auto zu treffen. Untermalt von Bass Arena aus den Boxen, einer der vielen Radio-Sender, die sich irgendwo zwischen Klassik und House einpendeln.
Für ordentlich Langzeitmotivation sorgt auch der riesige Fuhrpark mit über 450 Boliden. Von Traumauto (Pagani Zonda) bis Hupferl (3er Golf) ist alles dabei. Und alles lässt sich individuellst zusammenbasteln. Ich kann mir gut vorstellen jede Woche mal für die Weekly Challenges reinzuschauen, um zu sehen, was die Jahreszeit Neues bringt, oder welche der 531 Straßen neu zu befahren sind. Vielleicht sehen wir uns ja dort?.
In unserer Spieler-Rubrik verwöhnen wir dich mit Tests, News und Storys zu den besten Games. Bookmarke gleich unsere Seite.
Alle Bilder (c): Microsoft
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.