Seit 17.8. ist Disenchantment auf Netflix online. Warum Matt Groenings neuestes Werk hinter den hohen Erwartungen zurückbleibt. Unser Review zu Staffel 1.
20. August 2018: Ein Elf, der genug hat vom monotonen schönen Elfenleben, ein Dämon – genau so putzig wie bösartig – und eine dem Alkohol zugeneigte Prinzessin, die dem Klischee der zuckersüßen Thronfolgerin so gar nicht entsprechen will. Der Zutatenmix für das neue Spektakel von Matt Groening klingt vielversprechend. 29 Jahre nach dem Start der Simpsons und 19 nach der ersten Futurama Folge ist der aktuellste Streich Disenchantment auf Netflix erschienen.
Ob der mittelalterliche Klamauk wirklich gelungen ist, lest ihr in unserer Kritik. Wir haben die komplette erste Staffel für euch gesichtet.
Dreamland feiert eine Traumhochzeit. Oder zumindest fast. Denn Prinzessin Tiabeanie, kurz Bean, lässt kurzerhand vor dem Jawort den Prinzen links liegen. Dieser stürzt daraufhin unglücklicherweise in eines der Schwerter des eisernen Throns – Game of Throns lässt grüßen. Das dadurch ausgelöste Chaos nützt Bean, um mit Hochzeitsgeschenk Dämon Luci und dem einfach gestrickten Elfen Elfo zu türmen.
Auf der Suche nach ihren wahren Bestimmungen tauchen die drei Ausreißer in wahnwitzige Märchenabenteuer ein. Sie erleben Zwergenaufstände gegen Riesen, entkommen knapp einem hitzigen Drama im Lebkuchenhaus und kämpfen sich einmal quer durch das mystische Fantasieland. Dreh- und Angelpunkt, der in zehn Folgen erzählten Story, ist dabei das Schloss in Dreamland – aus dem unsere Helden zum Leidwesen ihres strengen Papas, dem König, für nächtliche Sauftouren im örtlichen Stammbeisl aber nur allzu gerne türmen. Wütend schmettert der sein Zepter immer wieder durch das Fenster der wenig royalen Spelunke – weshalb sie den Namen Zum Fliegenden Zepter trägt. Vor allem die Ereignisse um Beans verstorbene oder besser gesagt versteinerte Mutter verdichten sich im Laufe der Handlung immer mehr.
Die Helden der Freizeit konnten es kaum erwarten, Disenchantment endlich vor die Linse zu bekommen. Mittelalterliches Setting, magische Figuren, märchenhafte Unterhaltung. Was kann da schiefgehen? Dachten wir zumindest. Die Ernüchterung kam allerdings rasch. Kann die neue Serie von Matt Groening doch nicht mit den witzigen Dialogen, Geschichten und Charakteren von Die Simpsons und Futurama mithalten.
Ein Grund ist die zähflüssige Story. Anders als bei den Simpsons und Futurama wollten die Macher in den zehn halbstündigen Episoden einen Handlungsbogen über die gesamte Geschichte spannen. Das hat leider nur mittelprächtig geklappt. Sieht man sich zur Pilotfolge nur noch die letzten drei Folgen an, so überspringt man langatmige und teilweise wirr aneinandergefügte Erzählsequenzen und hat trotzdem nichts von der Hauptgeschichte verpasst. Die Handlung in den Folgen 2 bis 7 wirkt wie eine Aufzählung märchenhafter Schauplätze. Das mag zwar fantastisch klingen, ist aber auf Dauer nicht so unterhaltend, wie es sein könnte.
Gerade in der mittelalterlichen Welt von Disenchantment wären viele Anspielungen aufgelegt gewesen. Man denke an Kassenschlager wie Game of Thrones, Herr der Ringe, Vikings, Outlander die sich blendend karikieren lassen. Vereinzelt wird zwar darauf zurückgegriffen, aber so richtig ausgetobt, wie beispielsweise bei den Simpsons, haben sich die Schöpfer von Disenchantment nicht. Da wurde die Gag-Schlagzahl leider deutlich reduziert.
Manche Witze wirken wenig kreativ. Und wenn sie dann endlich zünden, muss man lange auf die nächste gute Pointe warten. Einzig im Hintergrund passiert dann doch mehr, als man auf den ersten Blick vermuten möchte. Und ein paar richtig gute Schmähs lassen erahnen, was hier noch alles möglich gewesen wäre.
Trinkende Prinzessin, einfältiger Elf und spitzzüngiger Dämon. Die drei Hauptcharaktere harmonieren als Dreiergespann ganz gut. Elfo und Luci sind Beans Engelchen und Teufelchen. Jedoch hätten wir uns gewünscht, dass die Figuren noch konsequenter agieren würden. Ein handfester dämonischer Clou von Luci. Ein Plan B für Beans Leben und nicht nur ein ständiges Entfliehen vor der väterlichen Kontrolle. Oder ein Elfo naiv neugierig auf die Welt mit ganz viel Butter und Zuckerguss. Alle wirken ein wenig zu brav.
Auch agieren die Figuren nicht immer stringent nach ihren Rollen und ihrer Vorgeschichte. Beispielsweise wirkt die erfundene Liebesgeschichte zwischen Elfo und der Riesin sehr konstruiert. Hätte der spitzohrige Elf auf die Provokationen des Dämons und der Prinzessin hinauf doch seinen feschen Feger im Elfenland erwähnen können.
Die erste Staffel von Disenchantment – übersetzt Entzauberung oder Enttäuschung – hatte leider auch auf uns (obwohl darin das Bier in Strömen fließt) eine ernüchternde Wirkung. Generell hätten wir uns vom kreativen Genie Matt Groening weitaus mehr versprochen.
Richtig toll gelungen sind die wunderschönen Bilder – extrem farbenfroh und mit ganz viel Liebe zum Detail. Sowohl bei den Charakteren, als auch bei den hübschen Schauplätzen. Aber was hilft das, wenn die Handlung eher langatmig und wirr daher kommt? Wenn die Charaktere unausgereift wirken und viele Gags einfach nicht zünden wollen?
Freilich bleibt die Hoffnung auf Besserung bei den zehn weiteren Folgen, die Netflix bereits bestellt hat. Setting und Charaktere haben durchaus Potenzial. Wenn dabei die Kinderkrankheiten konsequent ausgemerzt werden, könnte die Serie endlich ihren wahren Zauber entfalten.
Apropos Zauber! Ein Helden-Tipp für alle Netflix-User: Die neue Staffel von Better Call Saul läuft gerade. Für uns die aktuell beste Serie beim Streaming-Anbieter. Warum, könnt ihr hier in unserem Better Call Saul-Review zu den ersten 33 Folgen nachlesen.
(kla)
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Aufmacherfoto: © Netflix
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