Frauenwrestling der 80er Jahre. GLOW geht mit Glitter, toupierten Haaren, Bodyslams und Retro-Feeling seit 29.6. in die zweite Runde. Kann die Netflix-Serie mit mehr als coolem Retro-Look punkten? Unser Review zu Staffel 1 und 2.
4. Juli 2018: Retro ist in und die 80er sind zurück. Spätestens seit dem Erfolg von Stranger Things (hier geht es zur Helden-Story) wird das Rad der Zeit – zumindest bei Netflix – gerne mal zurückgedreht. Zum Vorschein kommen Kuriositäten! Und damit sind nicht nur Schulterpolster und knisternde Föhnfrisuren gemeint. Inspiriert von den echten G.L.O.W.s – den Gorgeous Ladies of Wrestling, einer Wrestling-Fernsehserie von 1986 bis 1992, packen die Macher von Orange ist the New Black den körperbetonten Sport in funkelnde Looks und das Thema Gleichberechtigung zumindest ansatzweise ins 21. Jahrhundert.
Seit 29. Juni ist die zweite Staffel bei Netflix online (hier könnt ihr übrigens sehen, welche Neuerscheinung euch im Juli erwarten). Wir haben Staffel 1 und 2 gesichtet und verraten euch in unserer GLOW Kritik, wie er sehr es sich lohnt mit den gar nicht zimperlichen Damen in den Ring zu steigen. Und um was es überhaupt geht.
Die Kritik zur aktuellen dritten Staffel, die im August 2019 erscheint, gibt es übrigens hier!
Immerhin kein Porno! Die bislang erfolglose Schauspielerin Ruth Wilder (Alison Brie) bekommt die Chance wöchentlich in der Fernseh-Wrestling-Show GLOW mitzuwirken. Beim Casting hat sie erstmal gar keinen Schimmer davon – es werden einfach unkonventionelle Frauen gesucht. Wichtig für den zynisch, bissigen B-Movie-Regisseur Sam Sylvia (großartig gespielt von Marc Maron) ist, dass die Charaktere gute Geschichten erzählen. Als Ruths ehemals beste Freundin Debbie Eagan (Betty Gilpin) in den Ring steigt, ist Zickenkrieg vorprogrammiert. Denn Ruth hatte eine Affaire mit Debbies Mann – deren Ehe daher nun am Boden liegt.
Auch sonst läuft die Wrestling-Produktion von GLOW nicht ganz reibungslos. Zuerst müssen die Gorgeous Ladies of Wrestling erst mal für ihre Rollen fit gemacht werden, haben sie den Sport doch bisher maximal im Fernsehen gesehen. Ein schweißtreibender Weg für Zoya the Destroya (Ruth), Liberty Belle (Debbie) und die anderen auf dem Weg zur Krone und Anerkennung. Bei ihren Wrestling Alter-Egos werden natürlich alle Klischees strapaziert, wie sich das für so eine Show gehört. Vom strahlenden All-American-Girl, bis zur bösen Russin, von der faulen Schmarotzerin bis zur Wissenschafts-Streberin mit Schulmädchenzöpfen.
Schlagfertig geht es in Staffel 2 zur Sache. Nun gilt es, den bereits ergatterten Sendeplatz mit allen Mitteln zu verteidigen. Als fixe Größen des Fernsehens gibt es zumindest (!) Arbeitsverträge für die GLOW-Darstellerinnen.
Spätestens als die Gorgeous Ladies mit ihrer Unterschrift jegliche Rechte an den Fernsehsender abtreten, ohne Krankenversicherung in den Ring steigen und ein Arbeitsessen (fast) zu sexuellen Übergriffen führt, ist der Zuschauer mitten in der aktuellen Time’s Up- und MeToo-Debatte Hollywoods angekommen.
Darüber hinaus haut GLOW auch in Staffel 2 ihre altbewährten Moves raus: Zickenterror, haarsträubende Wrestling-Plots und den ein oder anderen Bodyslam.
Überraschung. Gewrestelt wird bei GLOW weitaus weniger als gedacht. Bis auf einen großen Main-Event, der jeweils den Schluss und Höhepunkt einer Staffel bildet, geht es vielmehr um das Leben der Hauptfiguren. Das ist gut so. Denn genau das hievt die Netflix-Serie in einigen Szenen über das Niveau eines seichten Komödien-Klamauks. Für Ruth – Schauspielkarriere am Boden, Debbie – nach kaputter Ehe mit Kind allein – und Sam – mit dem Auftauchen seiner Teenager-Tochter völlig überfordert – wird das Wrestling zu einem persönlichen Rettungsanker. Entsprechend überengagiert geht Ruth ans Werk und nervt den immer grantigen Sam, der als Regisseur eigentlich Dienst nach Vorschrift machen will. Bei dem aber immer wieder ein weicher Kern zum Vorschein kommt.
Die Hass-Liebe zwischen den beiden ist ein Highlight der Serie. Ebenso Debbies kalter Krieg mit Ruth, in- und außerhalb des Rings. Alison Brie, Marc Maron und Betty Gilpin können in ihren Rollen überzeugen. Der restliche Cast spielt zwar nicht schlecht, die Nebenfiguren bleiben abseits ihrer knallbunten Auftritte im Ring aber ziemlich blass. Ebenso Chris Lowell als Produzent Sebastian Howard, obwohl der relativ oft im Geschehen auftaucht.
Absolut entbehrlich ist aus unserer Sicht eine Folge in Staffel 2, bei der die Haupthandlung plötzlich ruht und die Wrestlingdamen statt zu kämpfen, eine billige Promo-Clip-Soap zum Besten geben und wir diese in voller Länge serviert bekommen. Wir empfehlen die Vorlauftaste.
GLOW hat alle Zutaten zur kurzweiligen und launigen Unterhaltung. Ausgefallene Rollen, eine ungewöhnliche Geschichte und ein tolles Setting. Vor allem das 80er-Jahre-Feeling ist super in Szene gesetzt: glitzernde Fummel, der Musikmix aus dem Ghettoblaster, abgedrehte Wrestlerinnen und ein ordentlicher Schnauzbart bei Regisseur Sam Sylvia.
Leider können die gelungenen Komponenten nicht über gelegentlich langatmige Szenen hinwegtäuschen. Ein wenig mehr Dichte und Konsequenz im Storytelling hätte man sich bei der ein oder anderen Folge gewünscht. Versöhnt haben uns wieder die GLOW-Darstellerinnen. Die sportlichen Wrestling-Moves sind schon verdammt gut umgesetzt. Und die privaten Dramen der drei Hauptfiguren und ihr schwieriges Verhältnis zueinander sorgen für den nötigen Zunder. Wir sind schon gespannt, wie es in der dritten Staffel weitergeht. (kla/ak)
Noch mehr Film- und Serien-Tipps findet du in unserer Seher-Rubrik.
Aufmacherfoto: (c) Netflix
Klaras redaktioneller Schwerpunkt sind Tipps zu Ausflügen, Bücher, Garten und mehr. Sie hat viele Jahre Erfahrung im Buch- und Freizeitbereich.