Steven Spielbergs Ready Player One überrollt sein Publikum mit einem Effekt-Spektakel, das seinesgleichen sucht. Dass es sich dabei um ein großes Gulasch aus alten Games und Filmen in frischem Gewand handelt, in dem Figuren und Story ein bisserl absaufen, kann man bei so guter Unterhaltung verzeihen. Unser Review.
von Christoph König
3. April 2018: Welcher Retro-Nerd hat nicht darauf gewartet? Ein Film, in dem ein Atari 2600, der DeLorean aus Zurück in die Zukunft und die Kulisse von Stanley Kubricks The Shining zum Schlüssel für eine bessere Zukunft verschmelzen. Steven Spielberg hat uns in Ready Player One diesen feuchten Nostalgie-Traum beschert. Und ihn in ein fantastisches, ultrarasantes 3D-Spektakel gegossen.
Was dabei herausgekommen ist, entfernt sich allerdings etwas von der Romanvorlage von Ernest Cline – dem Nerd-Almanach schlechthin – rückt das Actionfeuerwerk eines Blockbusters gegenüber der Lebensgeschichte der Hauptfiguren in den Vordergrund. Und bereitet das Ganze weit millenialsfreundlicher auf. Ob das funktioniert?
Am 5. April kommt diese knallbunte 140-minütige Achterbahnfahrt bei uns ins Kino. Wir hatten das Vergnügen bereits – im IMAX mit 3D-Brille, so wie sich das für so einen Streifen gehört.
Versuchen wir’s so flott, wie der Film erzählt ist. 2045 ist die echte Welt heruntergekommen und scheiße. Deshalb flüchtet sich Hauptdarsteller Wade wie Millionen andere mit VR-Brille und -Handschuhe in die 3D-Welt Oasis. Ein wunderschönes Multiplayer-Universum gigantischen Ausmaßes, in dem jeder praktisch alles sein und machen kann, was er will. Stirbt der virtuelle Avatar – zum Beispiel bei einem Fight im brutalen Doom-Planeten – kann er zwar respawnen, verliert aber sein ganzes Hab und Gut.
Der Schöpfer dieser Welt kann sich nicht mehr wiederbeleben. Er ist tatsächlich verstorben. James Donovan Halliday, der Nerd der Nerds, der von allen Spielern vergöttert wird. Er hinterlässt seinen Oasis-Jüngern aber die ultimative Schnitzeljagd. Drei Schlüssel müssen gefunden werden, um an das Easter Egg des Meisters zu gelangen. Der Sieger wird neuer Herr über Oasis und erbt Hallidays Vermögen, eine halbe Milliarde Dollar. Klar, dass sich Wade – Fanboy aller Halliday-Fanboys – mit seinem Avatar Parzival sofort in den virtuellen DeLorean haut und die Hatz auf den Gamer-Thron startet. Unterstützt von seinem besten Freund Aech und bald auch der schönen Art3mis und weiteren Spezis, die eher Randfiguren bleiben. Es versteht sich, dass sich alle zunächst noch nicht aus der echten Welt kennen.
Der Haken: Der mächtige Chef von Innovative Online Industries Nolan Sorrento schickt gleich eine ganze Armee an Spielern ins Rennen – und hat weder in der virtuellen noch in der realen Welt so edle Absichten wie Wade.
Ready Player One startet mit einem Autorennen und Effektfeuerwerk, das durch die unglaubliche Kumulation optischer Wow-Momente sogar Marvel-Filme abhängt. Explosionen, Sprünge, Crashs, T-Rex, King Kong und was da noch alles rumfliegt – begleitet von spektakulären (virtuellen) Kamerafahrten und dröhnendem Sound. Ein Augenporno, der etwa so auf einen wirkt, wie das grafisch beste Multiplayer-Actiongame, in dem man sich je verloren hat. Nachdem der Film im Mittelteil etwas zur Ruhe kommt, zündet er am Ende nochmal den ganz großen CGI-Effektturbo.
Weit unspektakulärer als die gebotene Bildgewalt ist die Geschichte. Check dir mit deinem Fanboy-Wissen über den Nerd-König mit deinen Gamerskills und deinem Clan drei Schlüssel. Brems den Bösewicht aus. Und mach die Welt am Ende etwas besser. Da hätte durchaus etwas mehr Kreativität nicht geschadet. Bei der Handlung kriegen wir hier ein Hollywood-Märchen nach dem Schema F serviert. Das eher durch kreative Schauplätze punktet: Beispielsweise mit dem Halliday-Museum (darin wird dem Obernerd in Bildern mit virtuellen Szenen aus seinem Leben ein Denkmal gesetzt) oder dem Hotel aus Shining.
Die Schauspieler passen gut in ihre Rollen, werden vor allem das jüngere Publikum ansprechen. Raum ihre Figuren zu entfalten, haben sie in dem Spektakel wenig. Und das, obwohl in der zweiten Hälfte des Films die reale Welt eine wichtigere Bedeutung bekommt. Tye Sheridan und Olivia Cooke machen als Wade/Parzival und Samantha/Art3mis eine unauffällige Figur. Ben Mendelsohn fällt als Bösewicht Sorrento auch maximal mit seinem Sprachfehler groß auf. Am Besten gefällt Mark Rylance, der einem als schrulliger, uriger Halliday richtig ans Herz wächst.
Ready Player One ist ein verdammt geil gemachter, leicht hohler Effektporno, an dem vor allem Gamer und Retro-Nerds Gefallen finden werden. Was da an optisch bunter adrenalingeladener Action auf das Publikum einprasselt, ist zweifelsfrei sehr unterhaltend. Das hat man so im Kino noch nicht gesehen! Ebenso, diesen wohl in diesem Ausmaß noch nie dagewesenen Berg an Hommagen, Anspielungen, Szenen und Figuren aus alten Computerspielen und Filmen (Zurück in die Zukunft, Terminator, Matrix, Jurassic Park, Avatar, Inception und viele andere lassen grüßen).
Ein Retrogulasch serviert in modernster Spitzenoptik mit vielen aufgewärmten Ideen. Aufgewärmt ist immer noch am besten, kann man dieses wunderbare Dauer-Déjà-vu verteidigen. Wir hätten uns aber vor allem bei der Story mehr Ideen gewünscht. Cast und Handlung hinterlassen keinen sehr aufregenden, aber immerhin einen soliden Eindruck. Wer extrem spektakuläres, jugendlich präsentiertes Popcorn-Kino haben will und ein Faible für ältere Games, Filme und 80er-Mucke hat, wird an Ready Player One seinen Spaß haben. Wer mehr Anspruch sucht, findet ihn sicher woanders (in unserem Seher-Bereich werdet ihr fündig).
Alle Fotos: (c) Warner Bros. Pictures
Der Chefredakteur der Helden der Freizeit hat das Onlinemagazin 2016 ins Leben gerufen und ist seit 2000 als Sportjournalist im Einsatz. Bei heldenderfreizeit.com ist er spezialisiert auf actiongeladene Outdoor-Aktivitäten, Ausflüge, Videos, Spiele, Filme, Serien und Social Media.