Tour zum Elefantentreffen Loh – Wer bei Minus-5-Grad und Schneeregen zwölf Stunden mit einem 60 Jahre alten russischen Gespann freiwillig nach Bayern tuckert, ist entweder verrückt oder will einfach nur zum ältesten Wintermotorradtreffen der Welt.
von Christian Wurzer
„Hallo, grias eich. Wo kommt ihr denn her“ fragt die fesche Brünette in ihrer kessen Lederjacke, einen Becher mit heißem Glühwein in der rechten Hand. „Aus Mödling, bei Wien“ stottern wir halb erfroren, schließlich sind wir ja schon 12 Stunden bei minus 5 Grad mit dem Motorradgespann unterwegs.
Eine Stunde fahren, zwei Stunden schrauben
Unsere Reise begann rund 300 km entfernt vom Hexenkessel von Loh in Thurmansbang (im Bayrischen Wald rund 50 km nördlich von Passau) schon um fünf Uhr in der Früh. Einen Schnitt von nur 25 Stundenkilometern zu schaffen, ist zwar alles andere als heldenhaft für Motorradfahrer (mit dem Tempo hätte uns sogar schon ein Radfahrer überholen können), aber wer mit einem 60 Jahre alten russischen Gespann unterwegs ist, der weiß, dass eine Stunde fahren zwei Stunden schrauben bedeutet.
Schon bei der Abfahrt müssen wir die Hinterradbremse neu einstellen, da die Bremse nur mehr homöopathische Wirkung zeigt. Rund zehn Kilometer nach dem Start die nächste Panne, plötzlich streikt der Motor. Wir rollen noch ins Bankett in den Tiefschnee, wo der Motor schnell auskühlen kann. Fünf Minuten später funktioniert wieder alles, ohne dass wir irgendetwas repariert hätten – eine typische „Marlboropanne“ eben.
Schnell mal die Lichtmaschine wechseln
In der Nähe von Melk wechseln wir noch schnell die Lichtmaschine, für einen Russenfahrer eine Kleinigkeit. Wenige Kilometer später stottert der Motor schon wieder, diesmal fehlt eine Schraube am Vergaser. Wir tuckern noch bis zum Baumarkt in Pöchlarn, wo uns eine riesige Auswahl an Schrauben zur Verfügung steht – nur nicht die, die wir brauchen. So wird das Problem kurzerhand mit einem Stück Draht gelöst.
Nur kein Stress
Zu diesem Zeitpunkt hat die Sonne schon ihren höchsten Punkt überschritten. Zwei Drittel des Weges liegen aber immer noch vor uns. Für Russentreiber kein Grund sich zu stressen und so stoppen wir im nächstbesten Kaffeehaus. In Motorradzeitschriften würde jetzt stehen: „Nicht nur die Torte, sondern auch die Kellnerin war süß …“
„Schneeregen ab Grein, ist für die Elektrik nicht fein“, könnte eine alte russische Bauernregel lauten. Für uns bedeutet diese Weisheit, dass die Reisegeschwindigkeit zwei Stunden lang aus uns nicht erklärbaren Gründen auf 40-50 Stundenkilometer fällt. Der Russe hält wacker bis zu unserem Ziel durch, welches wir schlussendlich in der Dunkelheit erreichen. Willkommen beim Elefantentreffen.
Und was wurde aus der feschen Brünetten? Nichts! So schnell wie sie gekommen war, war sie auch schon wieder mit ihren Freunden weitergezogen. Nach einer bitterkalten Nacht im Zelt sprang der Russe natürlich nicht sofort an. Aber das ist eine andere Geschichte.
Facts: Das erste Elefantentreffen wurde 1956 von Motorradredakteur Ernst Leverkus abgehalten. Immerhin verirrten sich 20 Zündapp-KS-601-Gespanne (im Volksmund “grüne Elefanten”) auf die Rennstrecke in Solitude. 1961 wurde das Treffen schon aus Platzgründen auf den Nürnburgring verlegt. 1977 kamen schon 40 000 Teilnehmer. Ausschreitungen, Schlägereien und ein Todesfall führten zum Ende des Treffens am Nürnburgring. Der Salzburgring sprang ein, aus finanziellen Gründen übersiedelte das Treffen 1989 zum Hexenkessel von Loh. Dort hat man aus den Fehlern gelernt. Es gibt weder eine Bühne, noch Veranstaltungszelte.
Anfahrt:
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Mehr InformationenFotos: heldenderfreizeit.com
Christian ist ein technisch versierter Bastler und Heimwerker - der mit seiner Familie auch actionreiche Abenteuer und Hotels für die Helden testet.