Ein Ausflug in die Welt der besten NHL-Zocker ist nichts für Zartbeseitete. Hier holst du dir garantiert eine Hornhaut am Daumen, eine dicke Haut gegen Schimpftiraden, ein Finnen-Trauma und – im Idealfall – Wayne Gretzky.
von Christoph König
“Fucking Glitch Bitch!” schimpft mich ein Onlinespieler. Eben hat er sein NHL-Match gegen mich verloren. Hat mir echt ein Glitch (“Programmierfehler”) zum Sieg verholfen? Nein. Der Typ will nur seinen Frust abbauen. Ich muss mich an diese Umgangsformen erst gewöhnen. Immerhin ist es mein erster ausgedehnter Ausflug in die Welt der besten Online-Gamer.
Bist du 10 Jahre alt, dass du nicht verlieren kannst? Ab und zu gibt mir die Jahreszahl im Usernamen Antwort auf diese Frage. Traurigerweise sind diese Kerle tatsächlich meist eher so zwischen 20 und 30 – beim Zocken verwandeln sich Männer offenbar zurück in flemmende Babys. Man muss es ja net gleich persönlich nehmen, wenn ein Mann aus meiner Viererlinie, seinen Topverteidiger ein bisserl narrt oder einer ein kleines Checkerl im Rücken der Schiris verteilt und später selbst mit einer theatralischen Schwalbe zu Boden geht.
Die Panini-Falle
Als einer, der des Zockens lieber offline fröhnt, dachte ich mir: Versuch doch mal was anderes! Nimm dir ein Spiel so richtig vor. Ob ich mit den Online-Freaks mithalten kann? Die Wahl fiel auf den “Ultimate Team Modus” von EA Sports. NHL deshalb, weil FIFA eh jeder spielt und ich Eishockey als Game immer schon kurzweiliger fand. “Ultimate Team”, weil man dabei eine Mannschaft aus Sammelkartenspielern zusammenstellt. Einen Panini-Fan wie mich, macht sowas natürlich gleich süchtig.
Die All-Star-Falle
Es gibt 10 Divisionen. Ratzfatz steige ich bis zur dritten auf. Dann stockt das Ganze. Denn jetzt stoße ich auf Gegner, die sich ein Allstar-Team zusammengezimmert haben, das fast unbesiegbar ist. Wie sie so schnell dazu kommen? Entweder sie spielen quasi Rund-um-die-Uhr – für das ich echt keine Zeit habe – oder sie kaufen sich die Sammelpacks einfach mit echtem Geld. Meinereiner, der sich die Stars erst mühsam durch Spielepoints im Game erarbeitet, hat da keine Chance. Nicht nur einmal werde ich von einer Linie der Legenden Gretzky, Lemieux und Crosby überfahren.
Die Finnen-Falle
Aufgeben? Nix da. Nach einigen Monaten löst sich beim Steuerstick meines Controllers oben und unten der weiche Plastiküberzug. Auf meinem linken Daumen bildet sich eine Hornhaut. Ich stecke dennoch fest, pendle zwischen Division 3 und 5, brauche Wochen bis ich mir einen besseren Spieler zusammengespart habe. Mein Trauma sind Finnen. Das sind die besten NHL-Spieler, tricksen, passen und verteidigen wie Weltmeister und verwerten ihre Chancen mit grausamer Effizienz.
Erst mit der Zeit erkenne ich, dass am Nachmittag die schlagbareren Gegner online sind, finde wieder mehr Spaß. Das Pendel zwischen totaler Euphorie und Frust ist gewaltig. Mal schwelge ich in den Highlights der vergangenen Partie, bei der ich mit zwei Last-Minute-Toren ausgeglichen und in der Overtime gewonnen hab.
Die Wut-Falle
Dann kriege ich eine 0:10-Watschen und will die Xbox mitsammt dem Fernseher aus dem Fenster werfen. Auch bei den verdammten Kerlen, die das Game kurz vor meinem Sieg abwürgen und so mit unfairen Mitteln einer Niederlage in ihrer Bilanz entgehen. Einer dieser Experten verhöhnt mich, sieht sich jedes seiner Tore in Zeitlupe an. Ich kann es mit keiner Taste abbrechen. Der Drang diesen Menschen mit einer bösen Nachricht zu beflegeln ist riesig. Ich widerstehe ihm, versteh jetzt aber was hinter “Fucking Glitch Bitch” steckt. Dieser Trailer ist zwar noch von NHL 14, bringt es aber auf den Punkt 🙂
Die Sucht-Falle
Trotz allem! Die Finger wirklich von dem Spiel lassen, gelingt mir nicht. Auch, weil es für das tägliche Einloggen ins Game Bonuscoins gibt, sogar mehr als 1000 nach einer Woche. Das Gemeine: Vergisst du dazwischen nur einen einzigen Tag online zu gehen oder kannst es nicht, fällst du sofort wieder auf Null zurück. Schlussendlich kann das alles aber den Spaß am fröhlichen Eischecken nicht trüben.
Facts: Der NHL Ultimate Team Modus ist in den NHL-Games von EA Sports enthalten und bei Online-Spielern sehr beliebt.
Tipps: In der Verteidigung ist es beim Online-Spielen besser dem Gegner mit Pokechecks den Ball abzuknöpfen und den Raum zum Tor zuzustellen. Denn: Fährt man aggressiv auf den Gegner zu, um einen Bodycheck zu landen, kann dieser relativ leicht ausweichen und der Verteidiger ist geschlagen. In der Offensive empfiehlt sich nicht immer den schnellsten Weg zum Tor zu suchen oder gleich zu schießen, sondern zuerst die Verteidigung mit geschickten Pässen und guter Puckkontrolle im Angriffsdrittel durcheinander zu bringen.
Zudem sollte man so oft wie möglich die beste Linie aufs Eis schicken, da sich die Unterschiede bei den Spielerskills beim Online-Spiel besonders stark auswirken. Um nicht zu viele Gold-Vertragszeiten der Stars zu verbrauchen, kann man eine schwache Viererlinie aufstellen, die man im Match selten bis gar nicht einsetzt.
Fazit: Das System mit Sammelkarten ist süchtigmachend – vor allem für alte Panini-Fans. Ohne Geld zu investieren dauert es allerdings ziemlich lang, sich ein schlagkräftiges Team zusammenzustellen
Aufmacherfoto: Screenshot EA Sports Promovideo
Der Chefredakteur der Helden der Freizeit hat das Onlinemagazin 2016 ins Leben gerufen und ist seit 2000 als Sportjournalist im Einsatz. Bei heldenderfreizeit.com ist er spezialisiert auf actiongeladene Outdoor-Aktivitäten, Ausflüge, Videos, Spiele, Filme, Serien und Social Media.