Wir testen das kontroverse Star Wars Battlefront 2. Können die knackigen Multiplayer-Matches die Diskussionen um Lootboxen und Pay2Win verstummen lassen? Unser Fazit.
von Christoph Geretschlaeger
22. November 2017: Der Star-Wars-Hype ist in vollem Gange. In weniger als einem Monat kommt Die letzten Jedi raus, der achte Teil der epischen Filmreihe. Und schon seit Freitag (17.11.) können wir uns in Star Wars Battlefront 2 in epischen Multiplayer-Matches mit dem Imperium messen. Oder im Singleplayer den letzten Willen des Imperators ausführen. Überschattet wird der Release von heftigen Diskussion um Lootboxen, Mikrotransaktionen und Pay2Win, lohnt sich der Kauf? Das ist unser Urteil.
Spieletechnisch ist es in den letzten Jahren, vor und seit dem siebenten Film, um die Sternenkriege ruhig geworden. Klassiker wie Knights of the Old Republic, Jedi Knight oder X-Wing vs. Tie Fighter sind Meisterwerke einer fast vergessenen Ära. In der Zwischenzeit mussten wir uns mit dem durchaus kurzweiligen MMO The Old Republic (paradoxerweise gerade für Fans von Singleplayer-Story interessant) und dem reinen Multiplayer-Shooter Star Wars Battlefront begnügen. Eben dieser Shooter bekommt jetzt eine Fortsetzung. und das besondere dran? Es gibt eine parallel zu den Filmen laufende Singleplayer-Story! Das reichte schon um mein Interesse zu wecken. Zumal das andere groß angekündigte Star-Wars-Projekt von Uncharted-Schreiberin Amy Henning gerade eingestampft wurde.
Commander Iden Versio (gespielt von der bezaubernden Janina Gavankar) ist Elite-Soldatin und Anführerin des imperialen Inferno Squad. Eine Art WEGA für die Galaxie. An ihrer Seite ein treuer Überwachungsdroide, Scharfschütze und Tech-Spezialist Del Meeko sowie ihr Vize Hask. Gemeinsam shippern sie auf dem Raumschiff Corvus durchs All und sind dann zur Stelle wenn’s ein paar Sturmtruppler nicht tun.
Die Kampagne setzt unmittelbar nach dem Ende des sechsten Films an. Emperor Palpatine ist tot, das Imperium in Aufruhr. Die Rebellen drohen die Überhand zu gewinnen. Admiral Garrick Versio schickt die Einsatztruppe Inferno Squad (darunter seine Tochter Iden) aus, um die letzte Direktive des Imperators auszuführen – Operation: Cinder. Doch Iden ist keine blinde Befehlsempfängerin …
Früh offenbart sich die Struktur der Kampagne. Eine Mission lenkt man Iden Versio, eine Mission steuert man einen ikonischen Star-Wars-Charakter. Statt einer durchgehenden Story mit der interessanten und vielschichtigen Elite-Soldatin, wechselt das Spiel immer hin und her, in einem Versuch noch das letzte Euzerl Nostalgie rauszupressen. Die aus der Luft gegriffenen Überleitungen zwischen den Missionen erspare ich euch hier.
Mal ist es Luke Skywalker, der mit seinem Lichtschwert durch Sturmtruppler pflügt, mal spielt man seine Schwester Leia und beschützt mit einem Schild-Emitter ein paar Techniker auf Naboo – oder andere bekannte Gesichter aus den alten (und neuen) Filmen. Da möchte ich nicht zu viel verraten, weil doch einige epische Momente dabei sind.
Genau diese epischen Momente sind es auch, neben der bombastischen Grafik, die die Kampagne von Star Wars Battlefront 2 davor bewahren eine totale Katastrophe zu sein. Sinnlose Zeitsprünge jagen inkohärente und x-beliebige Charakterwechsel. Sogar eine völlig überraschende und aus dem nichts kommende Love-Story wurde in den rund sechs Stunden langen Singleplayer gepackt.
Das Gameplay von Star Wars Battlefront 2 ist solide Konsolen-Shooter-Action. Nach ein bissl Herumfummeln mit den umfangreichen Steuerungsoptionen klappt‘s auch mit dem nächsten Headshot. Wahlweise in Ego- oder Third-Person-Perspektive kämpft man sich durch enge Schlauchlevel oder große Multiplayer-Arenen. Manche Abschnitte bestreitet Iden im Cockpit eines Tie-Fighters. Die, im Gegensatz zu Flug-Simulationen, eigenwillige Steuerung bedarf etwas Eingewöhnungszeit. Die Kämpfe um gegnerische Flaggschiffe gehören aber bald zu den Highlights des Spiels. Dogfights sind immer spannend, gerade wenn man am Heck eines X-Wings klebt oder versucht Geschütztürme auf einem Sternenkreuzer zu zerstören.
Jeder Soldat und jeder Held hat drei Sonderfähigkeiten. Iden hat ein Schild, eine Granate und eine Pulswaffe, Luke Skywalker hat Force Push, eine Sprint-Attacke und mit den Schultertasten am Controller bekommen alle Gegner im näheren Umkreis eine volle Ladung Midi-Chlorianer ab.
Das große Steckenpferd von Battlefront war immer die Grafik. Und die kann sich auf der PS4 Pro auf einem 4k-Fernseher so richtig entfalten. Das Gras weht langsam im Wind, die Flammen lodern hoch und die Funken sprühen nur so durch die Gegend. Die Texturen sind eine Augenweide. Einzig die Animationen in Third-Person sind eher merkwürdig. Das geduckte Schleichen sieht eher wie ein flotter Marsch in Richtung WC aus, aber das ist auch schon das einzig Schlechte. das man darüber sagen kann.
Auf einem schwachen Rechner oder einer normalen PS4 muss man grafisch leider erhebliche Abstriche in Kauf nehmen.
Nach der doch recht kurzen (5 bis 10 Stunden werden angegeben, wir haben knapp 6 gebraucht) Singleplayer-Kampagne wartet der Multiplayer. In typischer Battlefront-Manier kämpft man sich in Teams durch, aus den Filmen vertraute, riesige Gebiete. In der Rebellenbasis auf Yavin 4 oder über die Prachtstraßen von Theed auf Naboo. Mit genug Kills und Assists kann man in einen Flieger steigen (und volley in das nächste Gebäude krachen) oder mit besonders vielen Punkten in die Haut beliebter Star-Wars-Charaktere wie Luke Skywalker, Darth Maul, Yoda oder der Heldin der neuen Trilogie Rey schlüpfen.
Der Kern des Multiplayers von Star Wars Battlefront 2 ist definitiv der Galaktische Angriff. 20 Spieler gegen 20 Spieler auf großen Maps mit mehreren Checkpoints. Die angreifende Seite fängt mit 100 Leben an und muss bis Ablauf dieser Leben alle Verteidigungspositionen überrannt haben. Dazu wählt man aus vier Infanterie-Klassen die für die aktuelle Situation passendste. Meine Lieblingsklasse, der Assault-Truppler ist stark auf mittleren und kurzen Distanzen. Offiziere belegen befreundete Spieler mit starken Buffs, während Schwere Truppler an vorderster Front mit ihrem dicken „Maschinengewehr“ Sperrfeuer geben. Im Hintergrund halten sich währenddessen die Spezialisten, die Scharfschützen. Mit gezielten Laserblasts werden die wichtigen Ziele ausgeschaltet.
Für jede Klasse sammelt man Starcards. Diese Karten verbessern eine der drei Sonderfähigkeiten oder geben gewisse Boni wie mehr Stabilität beim Schießen oder schnellere Lebensregeneration. Mit der Zeit können diese Karten immer weiter verbessert werden. Anfänglich konnte man sich für echtes Geld gleich voll ausgebaute Karten kaufen, was zu einem ziemlichen Aufruhr in der Gaming-Community führte (dazu später mehr). Oder man suchte sein Glück in teuren Lootboxen, die allen möglichen Inhalt versprechen. Je länger man eine Klasse spielt, desto mehr Waffen schaltet man für sie frei. Hat der Assault-Truppler anfangs nur einen langsam feuernden Repetier-Blaster, bekommt man nach 50 Kills eine handliche „Bleispritze“ mit Laser-Projektilen. Außerdem können die Waffen mit Mods verbessert werden, die man mit Kills freischaltet.
Jede Aktion gibt Punkte, jeder Kill, jeder Assist. Diese Punkte setzt man ein, um in die Haut eines Jedi oder Sith zu springen, um verbesserte Infanteristen (wie Raketen-Truppler oder ähnliches) zu steuern oder auch um hinters Steuer eines AT-ST zu springen (den zweibeinigen Bruder der AT-ATs). Nach Ablauf der 100 Leben wird die Seite gewechselt und das Spiel beginnt erneut.
Neben dem Galaktischen Angriff gibt es noch vier weitere Online-Multiplayer-Modi. Der bekannteste und populärste davon ist der Sternenjäger-Angriff. In riesigen Arealen liefern sich die besten Piloten der Galaxie erbitterte Dogfights. Am Steuer eines X-Wings, Tie-Fighters oder Y-Wings versuchst du Stellungen zu halten oder zu überflügeln. Mit genug Punkten kannst du auch ans Steuer des Millennium Falcon oder Boba Fetts Slave I. Punkte werden wieder vergeben für Kills, Assists oder der Erfüllung von den Missionszielen.
Wer lieber die Macht steuert als durch die Luft zu düsen ist im Helden-vs-Schurken-Modus bestens aufgehoben. Vier Helden messen sich mit vier Schurken aus allen drei Star-Wars-Ären. Ist Yoda mächtiger als Darth Maul, kann Rey Emperor Palpatine das Wasser reichen? Witzige Abwechslung zum sehr Infanterie-lastigen Galaktischen Angriff.
Die Modi Gefecht und Angriff bieten kurzweilige Action für eine kleinere Anzahl an Spielern. Im Angriff versucht man in 8er-Teams Stellungen einzunehmen oder Basen zu verteidigen. Gefecht ähnelt dem Standard-Team-Deathmatch.
Will man sich nicht mit anderen Spielern messen gibt es noch den Arcade-Modus. In diversen Arealen versucht man innerhalb des Zeitlimits möglichst viele KI-Gegner abzumurksen. Ein Riesenspaß für zwischendurch oder um Freunde Chewbacca ausprobieren zu lassen. Zu zweit auf einer Couch geht auch, zumindest auf den Konsolen. Diesen Modus gibt es dafür online nicht.
Mit EA Access konnten die ersten Spieler schon am Wochenende vor Release anfangen Star Wars Battlefront 2 zu spielen. Was ihnen gleich ins Auge stach waren einige gesperrte Helden und die enormen Kosten diese ikonischen Charaktere wie Darth Vader freizuschalten. Anakin Skywalker mit der rauchigen Stimme kostete 60.000 Credits. Für eine gute Runde Galaktischen Angriff bekommt man in 15 Minuten durchschnittlich 250 Credits. Das sind 60 Stunden um einen (!) Charakter freizuschalten, oder man nimmt ein paar Euro in die Hand und kauft ihn einfach so. Und mit den oben angesprochenen Starcards konnte man sich auch um Echtgeld einfach einen Vorteil kaufen (oder wochenlang spielen, um über Lootboxen eine Chance auf die passende Karte zu bekommen).
Der Aufschrei der durch die Gaming-Community ging war monumental. Noch nie sind Spieler derartig auf die Barrikaden gestiegen. Der Grundtenor war immer derselbe. Wie können EA und die Entwickler DICE bzw. Motive 60 Euro für ein Spiel verlangen und dann noch so dreist sein und offensichtliche Pay2Win-Modelle (die man nur aus GRATIS Mobile-Games kennt) in das Spiel einbauen? Schnell ruderte Publisher EA zurück, in der Hoffnung ein noch großes PR-Debakel abzuwenden, und verringerte alle Kosten um 75 Prozent. Lukes Vater kostet jetzt nur mehr 15.000 Credits.
Doch die Spieler gaben sich damit nicht zufrieden, da es das Problem mit den Lootboxen und dem Kauf der Starcards in keinster Weise löste. Der nicht endend wollende Aufschrei und in einem letzten Versuch die Verkäufe am Releasetag (dem vergangenen Freitag) nicht völlig abschreiben zu müssen, brachte EA dazu in der Nacht auf Freitag noch ein Statement heraus: „Es gibt keine Micro-Transactions mehr, die Möglichkeit Spielwährung zu kaufen ist kurz- und mittelfristig ausgesetzt. Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir sie wieder einführen.“
Mal schauen ob das plötzliche Zurückrudern etwas bringt, oder die Androhung, das ganze System wieder zurückzubringen, noch die letzten Konsumenten vergrault.
Gemischte Gefühle. Star Wars Battlefront 2 ist ein fantastisch aussehender Team-Shooter, der sich präzise steuert und schnell süchtig macht. Die Singleplayer-Kampagne hat wahnsinniges Potenzial, dass sich in übertriebener Nostalgie verliert und ultimativ enttäuschend ist. Für Dezember sind schon die ersten DLCs angekündigt (alle gratis) mit mehr Singleplayer- und Multiplayer-Inhalten, vielleicht ist da etwas mehr Iden Versio dabei, etwas mehr Tiefe für die Kampagne. Das Debakel um die Währungen und Preise im Spiel ist für andere Entwickler und Publisher hoffentlich ein abschreckendes Beispiel – um die Auswirkungen auf Battlefront 2 und seine Langlebigkeit abschätzen zu können, ist es jetzt aber noch zu früh.
Star Wars Battlefront 2 ist seit 17.11. erhältlich, online um 60 Euro am PC via Origin oder um 70 Euro im Playstation- oder im Xbox-Store oder um die Ecke im Elektro-Laden deines Vertrauens.
In unserer Spieler-Rubrik verwöhnen wir dich mit Tests, News und Storys zu den besten Games. Bookmarke schon mal unsere Seite. Hier ein Action-Adventure, das wir dir schwerstens ans Herz legen:
Alle Bilder (c): EA, Screenshots
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.