Rundenbasierte Rollenspiele waren lange passé. 2015 begann mit Divinity: Original Sin eine Renaissance des Genres. Und der Nachfolger Divinity: Original Sin II macht so ziemlich alles besser. Gameplay, Handlung, Kämpfe, Multiplayer, Fazit – unser großer Test!
12. September 2017: Divinity: Original Sin II ist der lang erwartete Nachfolger des mehrfach ausgezeichneten, sogar von manchen als Spiel des Jahres gelobten, Rollenspiels. Wie beim ersten Teil entschied sich Entwickler Larian Studios für die Crowdfunding-Plattform Kickstarter. Im August 2015 startete die Kampagne. Innerhalb von nur zwölf Stunden wurde das Finanzierungsziel von 500.000 Dollar erreicht. Am Ende waren es dann über zwei Millionen! Damit wurden sogar alle Stretch-Goals (zusätzliche Features, die ab einem gewissen Betrag entwickelt werden) erreicht.
Am Donnerstag (14.9.) erscheint das Spiel für PC. In unserem großen Test erfährt ihr, was das Spiel kann.
Jahrhunderte sind vergangen seit den Ereignissen von Divinity: Original Sin. War man im ersten Teil noch ein Source-Jäger ist man jetzt selber ein Sourcerer. Die „Source“ ist die Wurzel aller Magie, die einen haben es, die anderen wollen es. Einer derjenigen die mehr davon haben wollen ist Bischof Alexander der Unschuldige. Er und sein Divine Order möchten als einzige über die Source herrschen. Dazu werden Sourcerer gejagt und schmerzhaft, gleich einer Lobotomie, ihrer Fähigkeiten beraubt. Übrig bleibt eine leere Hülle. Als Sourcerer möchtest du nach Möglichkeit diesem Schicksal entgehen. Mit einer Bande aus bis zu drei Kompagnons navigierst du durch eine Welt voller Intrigen und gefährlichen Gegenspielern.
Der Start in die Welt ist denkbar ungünstig: Um deinen Hals eine Kette, die deine Source-Fähigkeiten unterdrückt. Gefangen auf einem Schiff, das dich nach Fort Joy bringen soll. Der Name ist NICHT Programm. Auf der Überfahrt wird es von Voidwoken angegriffen. Gefährliche Wesen, die von Source-Magie angelockt werden. Auf Level 1 sind die Überlebenschancen denkbar gering, wäre da nicht ein Rettungsboot. Schaffst du es rechtzeitig durch das brennende Wrack in spe?
Divinity: Original Sin 2 ist ein rundenbasiertes Rollenspiel mit hunderten Fähigkeiten und Zaubern. Viele Zauber können sogar kombiniert werden – mit noch bedrohlicheren Auswirkungen. Das A & O des Kampfes sind elementare Effekte. Blutpfützen am Boden können entzündet werden, Wasserlacken können unter Strom gesetzt werden und Gegner brutzeln oder betäuben. Aber Vorsicht vor den schlecht platzierten Party-Mitgliedern, die Effekte können auch sie treffen, und wenn man so spielt wie ich, dann hauptsächlich sie.
Jeder Charakter und jeder Gegner startet mit einem Pool an Aktionspunkten, im Normalfall vier. Damit kann man sich bewegen, etwas zaubern oder zustechen. Schnelle Beine sind gefragt für Fernkämpfer, die sich nach Möglichkeit an einer erhöhten Position aufhalten sollten und dadurch mehr Schaden machen. Die Nahkämpfer stapfen dafür gern durch Feuer und Giftwolken und richten ordentlich Unheil an. Die richtige Balance ist entscheidend. Auch weil die AI schon auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad richtig knackig ist. Sie versteht es das Terrain auszunutzen und schwache Gruppenmitglieder herauszupicken. Neben den Zaubern und Fähigkeiten gibt es auch Schriftrollen und andere Verbrauchsgegenstände wie Granaten und Bomben. Die taktische Tiefe ist enorm.
Wenn dir mal keine Gegner den Tag versauen, kannst du die Welt von Rivellon unbekümmert erkunden. Divinity: Original Sin II bietet zahlreiche Möglichkeit von A nach B und überall dazwischen hinzukommen. Besonders der Teleport-Zauber erlaubt es dem Spieler alle Nischen zu erforschen. Und wird auch oft für seine Neugier belohnt.
Die Menschen und menschenähnlichen Wesen dieser Fantasy-Welt haben oft Aufträge für einen und locken mit Erfahrungspunkten oder besseren Gegenständen. Jedes Problem, jeder Auftrag hat zig mögliche Lösungen. Willst du irgendwo einbrechen? Dann könntest du entweder das Schloss knacken, den Schlüssel aus der Hosentasche fladern oder dich durch ein Fenster teleporten. Oder du hast keinen Bock auf den Auftrag, tötest einfach den Questgeber und holst dir seine Gegenstände. Aber das musst du dir mit deinem Gewissen ausmachen. Das Gameplay lässt dir jedenfalls genug Möglichkeiten offen.
Natürlich. Zu jedem guten Rollenspiel gehören Erfahrungs- und Skillpunkte. Klassen eigentlich auch, aber die sucht man in Divinity vergebens. Mit jedem Levelaufstieg kann man bestimmte Fähigkeiten und Talente lernen bzw. verbessern. Braucht dein Nahkämpfer ein paar Zauber, um sich noch kräftiger zu machen? Kein Problem. Will dein Magier nicht nur alles anzünden, sondern auch ein bissl mit seiner Armbrust schießen? Kein Problem.
Auch soziale Interaktionen werden von den Talenten beeinflusst. Der einfühlsame Echsenmann (ja es gibt spielbare Echsen, Menschen, Zwerge, Elfen und sogar Untote) bekommt beim Händler bessere Preise. Und jeder kann theoretisch mit Tieren reden, man muss nur das Talent lernen. Ich mag ja eigentlich Katzen lieber, aber bis jetzt waren Hunde die verlässlicheren Informanten.
Konnte man im Vorgänger nur gemeinsam mit einem Freund spielen, sind jetzt bis zu drei Mitspielermöglich. Sogar im Splitscreen auf einem Rechner. Oder übers Internet. Deine Freunde können jederzeit einstiegen und die Kontrolle über einen Charakter übernehmen. Im Test hat das überraschend einfach und unkompliziert funktioniert – eine Riesengaudi.
Jeder ist für seine Entscheidungen selbst verantwortlich und nicht immer wird die Gruppe einer Meinung sein. Außerdem gibt es PVP-Arenen in denen du dir aus einer Gruppe an vordefinierten Charakteren deine Helden aussuchst und dich mit anderen Spielern direkt battlest. Ich spiel lieber eine gemeinsame Story aber technisch funktionieren die Arenen einwandfrei. Die Herausforderung ist gegen menschliche Spieler natürlich ungleich höher bzw. vor allem anders.
Hat man genug vom Spiel gesehen bleibt dann noch das letzte Feature, das quasi unendlichen Spielspaß verspricht. Der Gamemaster-Modus. Als letztes Stretch-Goal auf Kickstarter gerade so noch erreicht, hat Larian Studios einen Leveleditor ins Spiel eingebaut. Damit kannst du eigene Kampfarenen bauen, beliebig Gegner platzieren und strategisch Fässer in der Gegend verteilen. Und noch viel mehr. Du kannst eigene Weltkarten importieren, vorgefertigte oder selbst gebastelte Locations einfügen. Alles liegt in deiner Hand: das Wetter, das Licht, die Vegetation und natürlich die lauernden Monster. Der Modus erlaubt es dem Gamemaster sogar selbst Hand anzulegen und direkt NPCs oder Monster zu steuern – und das alles geht sogar live, während deine Freunde mit dir im Spiel sind.
Stundenlang bin ich nicht nur in der Charaktererstellung gehangen, sondern auch regelmäßig in den knackigen und herausfordernden Kämpfen. Ach der Trottel steht noch in der Reichweite von dem Flammenstoß, scheiße. Ui der Treffer hat gesessen, da fällt er auf die Fresse, der böse Bandenchef. Freud und Leid liegen bei Divinity: Original Sin 2 nah beisammen. Aber selten ist die Situation aussichtslos. Mal hätte man den Charakter besser platzieren können, mal hätte man besser den Herren mit dem Zweihänder geheilt als dem weglaufenden Bogenschützen noch einen Feuerball nachzujagen. Die taktische Tiefe ermöglicht so viele unterschiedliche Herangehensweisen dass jeder Kampf machbar scheint. Aber nicht nur der Kampf ist fesselnd, die Charaktere wirken alle sehr lebendig und reagieren glaubwürdig auf deine Entscheidungen.
Mein Fazit: Divinity: Original Sin II ist ein rundum gelungenes Rollenspiel. Mein einziger wirklicher Kritikpunkt ist die teilweise schlechte Sicht bzw. Vorhersehbarkeit der elementaren Effekte. Oft ist mein Flammenstoß noch ein Feld weitergesprungen und hat etwas angezündet, das sicher besser aufgelegt gewesen wäre, wenn es nicht gebrannt hätte. Aber das ist leicht zu verschmerzen bei dieser fesselnden Welt. Ich liebe dieses Spiel!
Divinity: Original Sin II erscheint am 14. September für PC und kostet 44,99 Euro auf Steam. PS4 und Xbox-Versionen sind angekündigt aber noch nicht fixiert.
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Alle Bilder (c): Larian Studios
Der Grafiker und Art Direktor (Helden der Freizeit, Styria Verlag) aus Wien ist ein absoluter Game- und Film-Kenner. Das zeigt das in seinen Tests und Bestenlisten.