“Nicht nachdenken, einfach durch und fluchen.” Ein Wiener hat zweimal den härtesten Hindernislauf der Welt gepackt. Das Tough Guy Race 2016 und 2017. Hier sein erstaunlicher Erfahrungsbericht.
von Two-Face Mike
Was für ein Gegensatz! In meinem Job im Marketing der AUA bin ich gestylt, höflich und freundlich. In meiner Freizeit? Da quäle ich mich schlammverschmiert durch stockdunkle Wasserrohre, fluche wie ein Rohrspatz und treibe meinen Körper ans Limit – und darüber hinaus. Wo? Beim härtesten Hindernislauf der Welt in England.
Schuld ist ein TV-Beitrag. Ich habe ihn gesehen und wusste: Das möchte ich auch machen. Das Tough Guy Race. Nicht irgendein Bewerb, der allerschwierigste muss es sein. In Perton bei Wolverhampton wagen sich jedes Jahr über 6.000 Mutige aus allerherren Länder an die Herausforderung schlechthin. Quälen sich stundenlang bei 5 Grad Celcius über die höchsten Hindernisse, die tiefsten Schlammgräben, durch Eiswasser und Feuer.
Nur ein Drittel kommt ins Ziel. Mir ist das zweimal gelungen. Und wenn ich jetzt im Hochsommer in Wien bei einem kühlen Getränk sitze und daran denke, was ich da im Jänner geschafft habe, läuft mir jetzt noch ein kalter Schauer über den Rücken.
Fragt sich: Wie bereitet man sich auf so einen Irrsinn vor? Das ist schwer, weil man die Hindernisse vorher nicht kennt. Außerdem kommt es sonst selten vor, dass man mit 170 Puls durch eiskaltes Wasser wattet, das einem bis zum Hals steht. Ich habe vorher schon viele Sportarten gemacht, war im Sportgymnasium und Fußballkapitän beim FavAC und Wienerberg. Bin also nicht gerade unfit. Aber das war nochmal eine völlig andere Liga.
Ich habe vor meinem ersten Antreten ein halbes Jahr Langstreckenläufe gemacht und Oberkörpertraining. Das war ein Fehler. Ich hatte zu wenig Kraft in den Beinen. Daraus habe ich gelernt und vor meinem zweiten Start 20 Kilometer lange Bergläufe und Sprünge ins Training eingebaut. Bei fünf bis sieben Sessions in der Woche waren die leichtesten Einheiten 10 Kilometer Läufe. Es gehört ganz schön viel Selbstdisziplin dazu, denn das alles neben dem Job einzuplanen ist überhaupt nicht einfach.
Mein zweites Tough Guy Race war trotz der noch besseren Vorbereitung nicht leichter als das erste. Die Angst war sogar größer, weil ich bereits wusste, welche argen Problemstellen auf mich zukommen. Bei den Killing Fields müssen die meisten Starter aufgeben. Das sind die 25 bis 30 schwersten Hindernisse, die erst gegen Ende der Strecke kommen und einem das Letzte abverlangen. Viele kriegen Krämpfe in den Oberschenkeln und müssen aussteigen.
Für mich war der schlimmste Horror ein 35 Meter langes stockdunkles Rohr, in dem du nichts siehst und das zu zwei Drittel mit Wasser gefüllt ist. Ich habe den Rat der anderen befolgt: Nicht nachdenken, einfach durch und dabei die ganze Zeit fluchen. Der schwierigste Moment war aber als ich unter sechs Baumstämmen durchtauchen musste. Ich hatte ein Blackout. Das System fuhr herunter, nur die lebenserhaltenden Funktionen bleiben aufrecht. Erstaunlich, was der Körper alles aushält.
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Nach 2 Stunden und 45 Minuten war ich im Ziel. Als 220. von den Wenigen, die bis zum Schluss durchgehalten haben. Viel wichtiger als die Zeit ist es überhaupt anzukommen. Das Ganze ist ja auch ein Teamevent. Die Teilnehmer helfen einander, es herrscht eine ganz besondere Stimmung.
Schon erstaunlich. Ich habe gelernt, dass man mit mentaler Stärke nicht nur an seine körperlichen Grenzen gehen, sondern sie sogar mit Willenskraft überwinden kann. Das hat mich auch in meiner Entwicklung als Mensch und im Job weitergebracht.
Wenn mir jemand bei einem Geschäftstermin die Hand schüttelt, dann wird er wohl kaum ahnen, dass im schönen Anzug einer steckt, der das Tough Guy Race gepackt hat.
Das Tough Guy Race wird seit 1987 jeden Winter in Perton (Staffordshire) ausgetragen und gilt als härtester Hindernislauf der Welt. Organisator Billy Wilson (Pseudonym Mr. Mouse) ist ein englischer Laufpionier und war 1981 beim ersten London Marathon dabei. 2010 stellten sich die TV-Stars Bam Margera und Ryan Dunn für ihre Show World Domanation dem Rennen. 2017 fand das letzte Tough Guy Race in dieser Form statt. Ab 2018 wird es nur noch ein kleineres Rennen geben.
Auch in Österreich finden ähnliche Hindernisläufe statt – bei denen steht aber noch etwas mehr der Spaß im Vordergrund. Nachzulesen in unseren Storys über das Spartan Race Wiener Neustadt und den X-Cross Run in Wien.
Wer Rennen wie das Tough Guy Race schaffen will, muss dafür nicht nur hart trainieren. Die Psyche spielt eine entscheidende Rolle. Ausschlaggebend ist die Fähigkeit über seine Grenzen zu gehen.
Zwar viel kürzer als das Tough Guy Race, aber dafür umso steiler ist das Red Bull 400. Dabei laufen die Athleten die Skisprungschanze von Bischofshofen hinauf. Wie hart das ist, erzählt euch hier ein Held der Freizeit, der eigentlich nur ein Hobbyläufer ist (mit Video!):
Der Chefredakteur der Helden der Freizeit hat das Onlinemagazin 2016 ins Leben gerufen und ist seit 2000 als Sportjournalist im Einsatz. Bei heldenderfreizeit.com ist er spezialisiert auf actiongeladene Outdoor-Aktivitäten, Ausflüge, Videos, Spiele, Filme, Serien und Social Media.