Sportclub – Vienna: Manche nennen es Derby of Love. Für die Fans ist es die schönste Nebensache der Welt. Was macht den Reiz dieses Wiener Kult-Duells aus? Wir sind der Sache auf den Grund gegangen.
von Scarecrou
26. April 2017: Es ist ein Duell und Wiener Derby zu dem meist mehr Menschen pilgern als zu den meisten Spielen in der österreichischen Bundesliga. Die Rede ist vom Spiel Wiener Sportclub oder Vienna, auch genannt Derby of Love.
Woher dieses große Interesse? Die Helden der Freizeit haben sich dem Phänomen Sportclub und Vienna bereits einzeln intensiv genähert. Je ein Fan hat bei uns seine sehr persönliche Geschichte erzählt, wie er sein Herz an einen der Traditionsvereine verloren hat: Nachzulesen in den lesenswerten Geschichten Faszination Sportclub: Wie ich als Piefke lernte Dornbach zu lieben und Faszination Vienna: Wie ich ein Kojote und Plüschpony wurde.
Nun wollen wir erkunden, was den Reiz des Duells Sportclub – Vienna ausmacht. Woher die große Anziehungskraft für das Derby of Love – wie es nun sehr medienwirksam tituliert wird? By the way: Weder der Begriff Kleines Wiener Derby noch Derby of Love findet bei den Fans beider Vereine ungeteilte Zustimmung.
Hier vier Gründe, warum dieses Wiener Derby etwas ganz Besonderes ist.
Sowohl beim Wiener Sportclub als auch bei der Vienna setzen die Fangruppen auf britischen Support. Sie verzichten auf Trommeln und Vorsänger. Ganz im Gegensatz zur Ultra-Kultur, die zum Beispiel bei der Wiener Austria oder Rapid zu finden ist. Lärm wird hier auch nicht mit Böllern, sondern mit Schlüsselbünden, Dudelsäcken oder lediglich durch Gesänge gemacht.
Einige Chants wurden von britischen Vereinen übernommen und adaptiert. Einige wurden selbst erfunden und weiterentwickelt. Manche Chants der beiden Fangruppen bedienen sich der selben Quelle. Deshalb kann es vorkommen, dass neutrale Besucherinnen und Besucher von den Fantribünen dieselbe Melodie hören, der Text sich aber unterscheidet.
Wenn es mal Choreographien gibt, dann können die mitunter sehr ausgefallen ausfallen:
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Dornbach und die Hohe Warte – hier existiert eine Fankultur, die von gegenseitigem Respekt, Antirassismus und dem Verzicht auf jede Art von Gewalt dominiert wird. Rivalität herrscht nur während der zwei Mal 45 Minuten, die ein Match dauert. Danach vermischen sich die schwarz-weißen und blau-gelben Schalträgerinnen und –träger vor den Bierständen.
In die Schlagzeilen kommen die Fans der beiden Vereine nur, wenn sie, wie in letzter Zeit öfter notwendig, ihren Vereinen finanziell unter die Arme greifen, wie beispielsweise mit Crowdfunding Projekten, die den Klubs durch wirtschaftlich turbulente Zeiten helfen.
First Vienna FC 1894 ist der älteste Fußballverein Österreichs. Er wurde sechs Mal Österreichischer Meister und drei Mal Cupsieger. Bei der Vienna begannen unter anderem Hans Menasse, Hans Buzek, Michael Konsel und Jürgen Macho ihre Karriere. Anfang der achtziger Jahre wechselte Hans Krankl vom FC Barcelona auf die Hohe Warte und auch Argentiniens WM-Schützenkönig Mario Kempes konnte zu einem längeren Gastspiel in Döbling überredet werden. Seit 1969 pendelte die Vienna zwischen erster und zweiter Leistungsstufe, landet 2002 schließlich in der Regionalliga, aus der 2009 der Aufstieg in die Erste Liga gelang. Dieses Intermezzo dauerte nicht lang, seit 2014 spielt die Vienna wieder in der Regionalliga Ost.
Etwas komplizierter ist die Geschichte des Wiener Sportclubs. Nach der Insolvenz des Wiener Sport-Clubs wurde 2001 der Sportklub gegründet, um den Fußball in Dornbach zu erhalten und die anderen Sektionen des WSC (u. a. für Fahrrad fahren, Fechten und Schwimmen) nicht zu gefährden. Der WSK stand in der Tradition des WSC, der 1958 im Praterstadion Juventus Turin 7:0 besiegte. Daher wurde der WSK 2017 in den WSC eingegliedert und so mit ihm zusammengeführt.
Die Fußballsektion besteht seit 1907 und wurde nach dem Ende 2001 im letzten Jahr in der 2. Klasse in Wien reaktiviert. Drei Meistertitel und ein Cupsieg stehen zu Buche. In den historischen Kadern finden sich klingende Namen wie Rudolf Szanwald, Willi Kaipel, Hans Krankl, Norbert und Erich Hof und Alfred Drabits.
Sportlich spielte der WSC lange in der Obersten Spielklasse, stürzte Ende des Jahrtausend in die Wiener Liga ab. 2002 übernahm der Wiener Sportklub den Platz des WSC und stieg aus der Regionalliga in die Erste Liga auf. Dieses Gastspiel dauerte nur eine Saison. Seit 2003 spielt er mit wechselndem Erfolg in der Ostliga und führt dort die Tradition des schwarz-weißen Fußballs in Dornbach fort.
Der Sport-Club-Platz ist einer der ältesten, noch bespielten Sportplätze in Österreich. Seit 1904 finden hier Fußballspiele statt. Im Laufe der Zeit wurde er öfter umgebaut und hat heute ein Fassungsvermögen von mehr als 7.000 Steh- und Sitzplätzen, die sich auf vier Tribünen verteilen. Hinter einem Tor befindet sich die legendäre Friedhofstribüne. Benannt nach dem Dornbacher Friedhof, der sich auf der anderen Seite der Alszeile befindet. Hier ist das Zentrum des Supports, die Singing Area. Rechts neben der fht steht die schon in die Jahre gekommene Haupttribüne. Hier kann man mit etwas Glück mit Fans ins Gespräch kommen, die schon seit Jahrzehnten den Sport-Club-Platz besuchen.
Gegenüber der Friedhofstribüne liegt die Blaue Tribüne. Von hier hat man den besten Blick auf das Spielfeld. Sie wird aber leider nur zu besonderen Anlässen wie zum Beispiel dem Derby gegen die Vienna oder den Spielen gegen AS Roma oder den FC St. Pauli geöffnet.
An der Kainzgasse liegt die vierte Tribüne. Sie wurde erst in den letzten Jahren revitalisiert. Hier, neben der Anzeigetafel und der Matchuhr, steht man so nah wie in kaum einem anderen Stadion am Spielfeld. 2019 wird der Sport-Club-Platz nun endlich saniert. Sowohl die Tribüne Kainzgasse, als auch die Haupttribüne werden neu gebaut und mit Erneuerung der Flutlichtanlage und weiteren Verbesserungen das Stadion um 6,25 Millionen Euro saniert.
Ein ähnliches Fassungsvermögen wie der Sport-Club-Platz hat die Hohe Warte. Das war nicht immer so. In der Zwischenkriegszeit war die Naturarena eine der größten Sportstätten des Kontinents. Mehr als 85.000 verfolgten dort die Länderspiele der österreichischen Nationalmannschaft.
In den siebziger Jahren wurde die Haupttribüne neu errichtet. Das Geld für die Renovierung und Instandsetzung der Naturtribüne gegenüber fehlt leider bis heute. Dafür wurden dort drei kleine Stahlkonstruktionen errichtet, die vor allem den Fans der Auswärtsteams Platz bieten. Die Hohe Warte hat eine der schönsten Lagen von allen Stadien in Österreich. Die Away-Tribüne bietet einen großartigen Blick auf Wien.
Man muss schon länger suchen, bis man in diesen Breitengraden ein Spiel in einer dritten Leistungsstufe findet, das mehr Publikum anzieht. Zwischen 5.000 und 6.000 Zuseherinnen und Zuseher sehen regelmäßig das Spiel zwischen dem WSC und dem First Vienna FC. Mehr als viele Partien in der Bundesliga.
Ohne dem Wiener Sportclub und der Vienna würde der Zuschauerschnitt der Regionalliga Ost drastisch sinken. Doch was macht den Reiz dieses Derbys aus? Es ist sicher die Nähe zum Spiel und zu den Spielern, die in der Regionalliga noch möglich ist. Man steht nahe am Feld, kann nach dem Match mit den Fußballern und den Trainern plaudern. Man erlebt Fußball nicht als aufgeblasenen Event, der sich nach Werbepausen und Sponsorenwünschen richten muss.
In der Regionalliga scheint die Zeit für den Fußball (und die Fans) stehen geblieben zu sein. Man kann sich trefflich über die Entscheidungen des Schiedsrichters echauffieren, ohne von zehn verschiedenen Kameraeinstellungen eines Besseren belehrt zu werden. Die Leistung der Spieler muss nicht die oft überzogenen Eintrittspreise rechtfertigen. Man erlebt in der Regionalliga noch das Fußballspiel als das, was es in der Champions-League schon lange nicht mehr ist: Als die schönste Nebensache der Welt.
Der Chefredakteur der Wiener Alszeilen verfasst für heldenderfreizeit.com Buch-, Musik- und Spiel-Rezensionen, ist Video-Redakteur von CU TV und schreibt für das Musikmagazin Stark!Strom. Dazu berichtet er von Konzerten, Sport- und anderen Kulturevents und führt Interviews mit Stars und spannenden Persönlichkeiten.