Der Österreicher Bernhard Wenger spielt in seinem Debüt-Film gekonnt mit Einsamkeit, Selbstdarstellung und der Suche nach sich selbst.
von Susanne Gottlieb, 20. 2. 2025
Man muss wohl was richtig gemacht haben, wenn man mit seinem Debüt-Film gleich zwei große Preise abräumt. Bernhard Wenger, der bisher durch Kurzfilme wie Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin aufgefallen war, präsentierte 2024 auf der Settimana della Critica bei den Filmfestspielen in Venedig seinen Debütfilm Pfau – bin ich echt? und gewann prompt die Auszeichnungen Premio Bisato d’Oro und den Premio Fondazione Fai Persona Lavoro Ambiente der Fai Cisl Studio e Ricerche Foundation. Seither ist auf dem Internationalen Filmfestival von Stockholm noch das Aluminium Horse für den besten Debütfilm dazu gekommen.
Warum man auch hierzulande den Film nicht verpassen sollte, das verraten wir dir hier. Weitere Top-Kinostarts im Februar findest du hier in unserer Monats-Übersicht.
Matthias (Albrecht Schuch) ist ein Mann der vielen Gesichter. Nur sein eigenes scheint er nicht mehr wirklich zu kennen. Der junge Mann betreibt in Wien eine Rent-a-Friend-Agentur, bei der man für verschiedenste Zwecke Freunde oder Begleitungen mieten kann. So muss Matthias schon mal als kultivierter Kulturliebhaber mit zum Konzert, als Piloten-Papa in die Schule, als Sohn eines reichen Geschäftsmanns die sozialen Kreise bezirzen, oder als Streitpartner einer Frau beim Streiten lernen helfen.
Doch während er diese Rollen mit Bravour meistert, scheint von seiner eigenen Persönlichkeit nicht mehr viel übrig zu sein. Das denkt auch seine Freundin Sophia (Julia Franz Richter), als sie ihm mitteilt, er seie nicht mehr “echt”, und sie würde ihn verlassen. Selbst sein Kollege David (Anton Noori) meint, er solle sich doch wieder mal ein wenig mehr mit sich selbst beschäftigen. Doch jegliche Versuche, spirituelle Reinigung, ein Hund, eine Affäre, haben nicht den gewünschten Effekt. Und dann stellt sich auch noch die Frage, ob Matthias überhaupt in einer Welt lebt, in der man noch echt sein kann.
Perfekt symmetrische Weitwinkelaufnahmen – ein kontrollierter Blick. So wie das Leben von Matthias, der in diesen Aufnahmen im Mittelpunkt steht. So beginnt der Film, doch alsbald stürzt Wenger alles ins Chaos. Matthias Suche nach sich selbst ist dabei eine Sisyphusarbeit, ein Kämpfen gegen Windmühlen der gewollten gesellschaftlichen Scheinwelt. Einerseits, kennt man diese unbeholfene, passive Figur aus Wengers bisherigem Werk. Ein passiver Mann, der von einer Frau verlassen wird und durch die immer weitere auswuchernden Irrungen der Situation stolpert, war bereits die Ausgangssituation in Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin.
Wenger spielt mit britisch-skandinavisch inspiriertem, trockenem, akzentuiertem Humor. Er flirtet mit dem Surrealen und überschreitet bisweilen die Grenzen zum Horrorszenario. Dabei zieht Wenger auch zu keinem Zeitpunkt mit Matthias selbst oder seiner Rent-a-Friend-Agentur ins Gericht. Ein Konzept, das Wenger selbst auf einer Recherche-Reise nach Japan, wo diese Agenturen sehr präsent sind, besser kennengelernt hat. Vielmehr zollt er diesem Mittel gegen die moderne gesellschaftliche Einsamkeit Tribut, sticht aber mit seiner Kritik genau in dessen Schwachpunkte. Der Exploitation einsamer Menschen, dem konstanten Zwang sich selbst gut darzustellen.
Wie der Pfau, den er in einer Kur-Anlage sieht, das eitle Wesen, muss auch Matthias sich mit seiner Eitelkeit auseinandersetzen und den Perfektionismus ablegen, dem ihm die Gesellschaft abverlangt. Das verwandelt Wenger zum Teil in absurd-wahnwitzige, manchmal aber in etwas zu trockene, distanziert-langwierige Situationen.
Warum Pfau so gut funktioniert, ist Schuchs schauspielerische Professionalität, sein zurückhaltendes Spiel, sowie die kontrollierte Körperhaltung, die sanfte Stimme und das Minimum an Emotionen. Es macht ihn zu einer perfekten Projektionsfläche, die spielerisch mit all den überdrehten Szenarien, die Wenger ihm zumutet, komplett nüchtern und formell umgehen kann. Der Humor entspringt dabei weniger einer komödiantischen Satire, sondern der Tragik des Lebens, die hier zum Ausdruck kommt.
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Mehr InformationenPfau – bin ich echt? ist ein gelungener Debüt-Film, der zwar manchmal etwas zu distanziert wirkt, aber durchaus in die Kerbe der gegenwärtigen Satiriker, Ruben Östlund oder Giorgios Lanthimos, stößt.
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Aufmacherfoto: (c) Polyfilm
Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.