Cynthia Erivo und Ariana Grande singen sich als Hexen von Oz durch eine nicht mit Reizen geizende Filmadaption des beliebten Musicals Wicked.
von Susanne Gottlieb, 10. 12 2024
Am Broadway und dann international and den Musicalbühnen war es ein Hit. Nun kommt es in die Kinos: Das Musical Wicked, dessen Vorlage auf dem gleichnnamigen Buch von Gregory Maguire aus den 90ern beruht. Dieser wiederrum basierte seine Geschichte auf dem Kinderbuch Der Zauberer von Oz von Lyman Frank Baum, aber viel mehr noch auf dem berühmten Film mit Judy Garland. 2003 entstand die Broadway-Adaption mit Indina Menzel und Kristin Chenoweth in den Hauptrollen und wurde ein Riesenhit. Der amerikanische Regisseur John M. Chu bietet nun mit viel Opulenz die Kinoadapation des Abenteuers. Sich an den zwei Akten des Stücks orientierend, startet nun die erste Hälfte der Geschichte im Kino.
Warum diese Reise nach Oz auf jeden Fall ihre Zeit wert ist, das verraten wir dir hier.
Die junge Elphaba Thropp (Cynthia Erivo), Tochters des Governeurs von Munchinkland, ist anders als all die Einwohner von Oz. Ihre Haut ist grün – selbst in einer magischen Welt wie Oz sticht man mit so etwas heraus. Doch sie lässt sich davon nicht unterbringen, träumt davon den berühmten Zauberer von Oz (Jeff Goldblum), der einst mit einen Ballon ins Land geflogen kam, zu treffen, und ihre magischen Kräfte, die sich immer wieder manifestieren, unter Kontrolle zu bringen. Als ihre an den Rollstuhl gefesselte, geliebte Schwester Nessarose (Marissa Bode) an der Shiz Universität angenommen wird, begleitet sie diese am ersten Tag – und wird prompt von der Professorin Madame Morrible (Michelle Yeoh) gedrängt, sich selber einzuschreiben, als sich ihre Kräfte manifestieren.
In Shiz teilt sich Elphaba das Zimmer mit der populären, leicht eingebildeten Galinda Upland (Ariana Grande), später Glinda, die ebenfalls zaubern lernen möchte. Nach einer anfänglichen gegenseitigen Verachtung, in die auch Galindas Freund Fiyero (Jonathan Bailey) und der in sie verliebte Munchin Boq (Ethan Slater) hinein gezogen werden, entsteht eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden. Elphaba lernt durch den sprechenden Ziegenprofessor Dr. Dillamond (Peter Dinklage) ebenfalls, dass die sprechenden TIERE in Oz verfolgt und unsichtbar gemacht werden sollen. Ein Anliegen, dass sie unbedingt vor den Zauberer bringen will. Wenn er sie denn empfangen will.
Von der Musical-Bühne auf die große Leinwand. Das Film-Musical hat in den letzten Jahren ein großes Revival erfahren. Gerade erst ist Emilia Pérez in den Kinos gestartet, aber auch Namen wie La La Land oder Mamma Mia kommen in den Sinn. Ebenso hatte Disney mit der Live-Action-Adaption seines Animationskatalogs optiert, die Geschichten mit ihren Original-Liedern zu belassen. Doch hier tut sich bereits für viele ein breiter Graben auf – nicht jeder Regisseur versteht es, was es bedeutet die organische Bühnenatmosphäre, das Tanzen und Singen effektiv in fein formulierte, dagegen fast starr wirkende Kinobilder zu übersetzen. Man denke nur an Guy Ritchies wenig spektakulären Aladdin.
Bei Wicked muss man sich hingegen keine Sorgen machen. Regisseur John M. Chu mag hierzulande vielleicht vor allem für den Kinofilm Crazy Rich Asians bekannt sein. Aber was Musical und Tanz betrifft, ist er dem Genre kein Fremder. Auf seine Kappe gehen In the Heights, Step Up 2: The Streets, Step Up 3D, Jem and the Holograms, sowie Live-Aufzeichnungen von Justin Bieber-Konzerten. Diese Erfahrung merkt man dem Film sofort an. Das hier ist kein geradliniger Fantasy-Film, in dem die Charaktere plötzlich in Gesang ausbrechen. Es ist eine Bühnenshow, die mit ihren großen Sets einfach die Grenzen einer solchen sprengt. Defying Gravity also, wie Elphaba einmal singt.
Der Erfolg des Films geht auch stark auf die großartige Chemie der Hauptdarstellerinnen zurück. Die einstige Disney-Serien-Darstellerin und nunmehrige Popsängerin Ariana Grande beweist wieder einmal, dass sie durchaus schauspielerisches Talent hat, auch wenn Glinda manchmal zu sehr jener Persona-Marke ähnelt, die sie in Hollywood präsentiert. Die Britin Cynthia Erivo, die ihre Karriere auf der Bühne startete, unter anderem in The Colour Purple, fiel im Kino vor allem in der Rolle der Sklaven-Fluchthelferin Harriet Tubman in dem Biopic Harriet auf. Die zunächst leicht spöttische, aber stets mit spielender Energie aufgeladene Dynamik der beiden ist das eigentliche Powerhouse des Films. Hier glaubt man, eine fragile, aber unverfälschte Freundschaft vor sich zu sehen, die von Egos, Macht, männlichen Größenwahn und faschistischen Tendenzen fast gebrochen wird.
Sonst begeistert der Film mit groß angelegten Bildern, lebhaften Tanznummern und einer Portion Herz am rechten Fleck. Die Tendenz, Filme mit CGI und digitalen Sets aufzublasen, spürt man hier nicht, da sich die Macher offensichtlich was in der Plannung überlegt hatten, und fast alles sehr organisch aussieht. Die lange Laufzeit macht sich zwar beizeiten bemerkbar, hindert aber nicht am Spaß an der ganzen Sache. Das einzige, was sich hier natürlich im Vergleich zu einer Bühnenshow viel mehr bemerkbar macht, ist die Begrenztheit des Raums fast ausschließlich auf die Räumlichkeiten der Universität. Das zauberhafte Oz erspäht man nur in Ansätzen. Doch da muss man nochmals auf den Roman verweisen. Auch dieser spielte in der ersten Hälfte fast ausschließlich an der Universität.
Wicked ist ein großartiger Trip, ein buntes, wildes Musikabenteuer, das man derzeit im Kino erleben kann. Wer also ein Fan des Originals war, sowie revisionistische Erzählungen bekannter Geschichten mag, der ist hier genau richtig.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.