Fede Álvarez übernimmt die Zügel im jüngsten Alien-Film und führt die Reihe gekonnt wieder zu ihren gruselig-actionreichen Anfängen zurück. Unsere Alien: Romulus Kritik.
von Susanne Gottlieb, 16. 8. 2024
1979 war das Jahr, als Ridley Scott mit Alien ein neues Genre zementierte. Der Sci-Fi-Horrorfilm, in dem eine Raumfrachter-Crew von einem düsteren, riesigen Außerirdischen dezimiert wird, war etwas, was das Publikum so noch nicht gesehen hatte. Creature-Filme gab es bereits seit Jahrzehnten. Doch diese Kombi aus Monsterhorror, Kapitalismuskritik, Klaustrophobie und Isolation bewegte etwas in den Menschen. Die kreativen Suspense-Momente, die ungewöhnlichen Kamerawinkel, das Alien, das aus John Hurts Brust sprang, sind heute ikonisch.
1986 folgte das nicht minder erfolgreich Sequel Aliens – Die Rückkehr von James Cameron. Statt Horror setzte Cameron auf Action, einen Blockbuster-Look wie bei seinem Hit Terminator. Danach folgten noch Teile von David Fincher und Jean-Pierre Jeunet, die nicht mehr an die Erfolge anknüpfen konnten, zwei Ableger Alien vs. Predator, und zwei Versuche Scotts, mit Prometheus und Alien: Covenant eine Vorgeschichte zu erzählen. Statt gediegenen Weltraum-Horror versuchten Scott aber all zu philosophisch existenzielle Menschheitsfragen und Genese zu analysieren, die bewährte Formel ging verloren.
Kann Fede Álvarez, der bereits in etablierten Franchises wie Tanz der Teufel und Texas Chain Saw Massacre mitgemischt hat, hier das Ruder wieder rum reißen? Nun, er kann. Wie? Das erfährt ihr hier.
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Die Minenarbeiterin Rain (Cailee Spaeny) und ihr Androiden-“Bruder” Andy (David Jonsson) sitzen seit Jahren auf einem düsteren, nie vom Sonnenlicht geküssten Minenplaneten des fiesen Großkonzern Weyland-Yutani fest. Gebunden durch einen Knebelvertrag, ist ihre Chance, je in ein freundlicheres Umfeld, auf einen lebenswerteren Planeten zu fliehen, von wenig Hoffnung gekrönt. Ähnlich geht es Rains Exfreund Tyler (Archie Renaux), seiner Schwester Kay (Isabela Merced), ihrem Cousin Bjorn (Spike Fearn) und dessen Freundin Navarro (Aileen Wu).
Doch die Entdeckung einer unbemannten, vor sich hin treibenden Raumstation über ihrem Planeten soll Abhilfe schaffen. Wenn sie dort Ersatzteile klauen, unter anderem die Cry-Schlafkammern, könnten sie sich heimlich vom Planeten absetzen. Doch eine Erkundungstour auf der Station, die in die zwei Hangar Romulus und Remus unterteilt ist, birgt noch andere Überraschungen. Ein Signal aus dem inneren Bereich des Schiffs lockt die Gruppe, sich weiter umzusehen. Doch was dort auf sie wartet, hat wahrlich keine freundlichen Absichten…
Eine Gruppe Zivilisten, Arbeiter, oder Soldaten, die in den Fängen der fiesen Weyland-Yutani dem tödlichen Xenomorph ausgesetzt werden. Das war bisher die beständigste Erfolgsformel des Franchises. Álvarez wendet sich in seinem Film wieder von dem Fokus der letzten Filme auf Wissenschaftler und “Mensch und Maschine als Gott” ab, und kehrt zu den Anfängen zurück. Diesmal aber in Form einer Gruppe junger Leute, die mit der Frage konfrontiert sind, ob sie ewig wie ihre Eltern auf einem düsteren Planeten dahinvegetieren wollen.
Auch sonst versteht Álvarez seine Aufgabe gekonnt. Das Design der Raumstation, die altmodische Technologie, die visuellen und verbalen Zitate aus knapp 45 Jahren Alien. Dieser Mann ist ein Fan, sein Film ein reiner Liebesbrief an die Reihe. Doch ungleich anderer Filme wie das kürzlich gestartete Deadpool & Wolverine (hier unsere Review), betreibt er hier keinen Augenrollen-induzierenden Fanservice, sondern entwickelt das Vorangegangene geschickt weiter. Versiert im Horrorfilm, aber auch im Actionkino, kombiniert er beide Genres, nimmt sich am Anfang die Zeit, das Fremde, Unheimliche zu etablieren, nur um dann in der zweiten Hälfte aus vollen Rohren zu schießen.
Statt dem unterkühlten blau-dunstigen Look der Vorgänger setzt er auf eine von warmen Farben wie Rot und Orange durchzogene Bildsprache, provoziert mit noch expliziterem Design der Kreaturen die Geschlechtsteile- und Vergewaltigungsallegorien der Reihe. Zeitlich angesiedelt zwischen dem ersten und zweiten Teil, fügt sich der Film visuell und erzählerisch in diese Zeit ein, ohne ein modernes Tempo außer Acht zu lassen.
Allein gegen Ende verlässt sich Álvarez dann zu sehr auf seine Vorgänger. Bezeiten wirkt die Handlung zu aufgefädelt entlang Zitaten und Rekreationen berühmter Momente. Das mindert zwar in keiner Weise die Action und den Spaß, und vor allem gegen Ende hat er sich noch einmal ein ganz besonderes Highlight überlegt. Doch das ist nur ein kleiner Wermutstropfen in einem Ozean aus gelungener Fanfare und mutiger Weiterführung des Kanons.
Alien: Romulus ist ein gelungener Liebesbrief an die Reihe und ein Film für die Fans des Franchises, der über weite Strecken mit Altbekanntem, aber auch Eigenständigem überzeugt.
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Susanne Gottlieb schreibt als Filmjournalistin für die Helden der Freizeit, Kleine Zeitung, NZZ, Standard, TV Media, Filmbulletin, Cineuropa und viele mehr. Sie arbeitet im Filmarchiv Austria, berichtet von diversen Filmfestivals und hat Theater-, Film- und Medienwissenschaft studiert.